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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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gesehen, wenn es mit den anderen Kindern des Gesindes im Haus herumtollte. In dem großen Haus konnte man sich verirren. Ein ganzer Seitenflügel könnte über einem einstürzen, und man würde nie gefunden werden.« Seine Fäuste ballten sich wieder. »Meine Eltern behaupten, sie hätten nie etwas von dem Kind gewußt, nie etwas von Samlane erfahren. Ich bete zu den Göttern, daß es stimmt, sonst müßte ich vergessen, daß sie meine Eltern sind.«
    Die S’danzo griff nach seinen Händen, und er entspannte sich unter der beruhigenden Berührung. »Sie ist jetzt vier Jahre alt«, fuhr er fort. »Sie hat ein Muttermal vorne unter dem Haar, wo ihre schwarzen Locken weiße Strähnen haben. Deshalb nannten sie sie Stern, meine Schwester und die Magd. Und ich bin nach Freistatt gekommen .« Samlors Augen blickten kalt, doch ohne Grimm, und seine Stimme hatte plötzlich die Härte und Schärfe einer Klinge, ». in dieses Höllenloch, um meine Nichte zu finden. Reia hat hier geheiratet, einen Gardisten, und sie ist hier geblieben, nachdem meine Schwester starb. Sie hat Stern aufgezogen wie ein eigenes Kind, wie sie mir sagte, bis es vor einem Monat plötzlich verschwand. Keiner weiß, wohin. Um einen Monat nur«, fügte der Cirdonier kopfschüttelnd hinzu, »bin ich zu spät gekommen. Aber ich werde Stern finden, und jeden, der dem Kind etwas angetan hat.«
    »Habt Ihr etwas mitgebracht, das ich berühren kann? Etwas, das dem Mädchen gehörte?« fragte Illyra mit dem nüchternen Interesse ihres Gewerbes.
    »Ja«, erwiderte Samlor nun ebenfalls ruhig. Mit seiner Rechten, seiner Dolchhand, hielt er ihr ein Medaillon entgegen, das jenem um seinen Hals glich. »Es ist der Brauch bei uns in Cirdon, daß das Neugeborene mit einem heiligen Kleinod dem Schutz Heqts befohlen wird. Das ist Sterns Geburtsmedaillon. Ein Kind, das mit Stern befreundet war, fand es im Stall des Hauses und brachte es Reia.«
    Illyra nahm das grinsende Antlitz Heqts. Ihr Blick wanderte zu den Enden des Bandes, an dem das Medaillon hing. Das Leder war dunkel vom jahrelangen Tragen, von Schweiß und Hautölen, doch die Flächen der Enden waren hellgelb.
    »Ja«, sagte Samlor, »es ist abgeschnitten worden. Helft Ihr mir, Stern zu finden, Lady?«
    Die S’danzo nickte. In ihren Augen schimmerten bereits die ersten Schleier der Entrückung.
    Illyras Blick war ins Leere gerichtet - lange Sekunden, die Samlor wie Minuten erschienen. Ihre Finger waren dunkel und emsig. Sie trug Ringe fast an jedem. Was sie fühlten, während sie das Medaillon betasteten, nahm sie nicht mit dem Verstand wahr, sondern mit ihrem innersten Wesen, mit ihrer Seele.
    Schließlich erwachte sie heftig atmend aus ihrer Entrückung - einem Schiffbrüchigen gleich, der sich an die Wasseroberfläche kämpfte. Ihre schmalen Lippen zuckten bei der Erinnerung an die Dinge, die sie gesehen hatte. Samlor stieß den Atem aus, wobei ihm bewußt wurde, daß er ihn die ganze Zeit über angehalten hatte.
    »Ich wünschte«, sagte die Frau leise, »ich hätte bessere Auskünfte für Euch oder wenigstens umfangreichere. Nein!« sagte sie rasch, denn Samlors Züge waren zu Stein erstarrt, »sie ist nicht tot. Ich kann Euch auch nicht sagen, wer, Meister, auch nicht, wo. Doch ich glaube, ich habe erkannt, warum.«
    Mit einer Hand hielt sie ihm das Medaillon so vorsichtig entgegen, als wäre es das Kind selbst; mit den Fingern der anderen Hand fuhr sie durch ihr Haar. »Das Mal, das Ihr als >Stern< beschreibt, ist der >Porta< für manche der Beysiber. Ein Meerestier mit Saugarmen - ein Gott für manche.«
    Samlor wandte den Blick zum Eingang, dessen Vorhang die Hinrichtung verbarg. Ein ungeheurer Grimm wuchs in ihm. »Auch für den?« fragte er mit einem Kopfnicken und beherrschter Stimme, die nichts von seiner Wut auf Lord Tudhaliya ahnen ließ.
    »Nein, nicht für die Herrscher«, erklärte Illyra. »Ganz sicher nicht für den Burek-Clan, nicht für die Reiter, aber für die Fischer und Schiffsbauer, die die Burek hierher brachten, die Setmur - aber auch nicht für alle.« Die Worte schienen eine schreckliche Erinnerung zu wecken, denn ihr Gesicht verriet tiefen Abscheu. Sie senkte den Blick und erklärte: »Es gab einen Dyareela-Kult in Freistatt. Es ist noch nicht lange her. Der Porta-Kult ist ihm sehr ähnlich. Nur wenige sind es, die im geheimen zusammenkommen, denn es gilt als Frevel und Verrat, andere Götter als die des Reiches zu verehren.«
    »Haben die Beysiber die Tempel geschlossen?«

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