Hexennacht
aufregend noch neu genug, als daß sie sich in diesen Zeiten mit ihren hätten messen können.
Hakiem sagte sich, daß er wahrhaftig keinen Grund hatte sich zu beklagen: Er hatte bei dem Geheimtreffen unter Marcs Laden doppelt soviel Geld bekommen, wie er durch Kamas Konkurrenz verlieren mochte.
Außerdem überließ die Frau ihm von sich aus die Hälfte ihrer Einnahmen.
So hatte Hakiem es sich nun auf einem geborstenen Faß bequem gemacht. Er schälte die Hornhaut von einem Fußballen und sah zu, wie Kama ihre Zuhörer in Bann schlug. Plötzlich bahnte sich ein junger Mann einen Weg zu ihr; er war groß, hatte einen einwöchigen Bartansatz, so dunkel wie sein Haar, und trug ein schwarzes Stirnband.
Es war Zip. Nicht nur Hakiem erkannte ihn, sondern auch Gayle, ein Söldner mit losem Mundwerk, der sich den Stiefsöhnen im Norden angeschlossen hatte. Er lungerte scheinbar nur herum, aber Hakiem war längst aufgefallen, daß sich immer ein Stiefsohn in Kamas Nähe aufhielt.
Dem alten Geschichtenerzähler entging nicht, daß die junge Frau erbleichte, als sie den verwahrlosten Ilsiger erblickte. Sie verlor den Faden, ihre bisher so ausgefeilten Sätze wurden holprig, und sie beendete die Geschichte so abrupt, daß ihre Zuhörer murrten.
»Tut mir leid, Leute, aber für heute ist das alles. Ich muß gehen - ein natürliches Bedürfnis. Und da ich mich mit der Geschichte so beeilen mußte, braucht ihr dafür auch nicht zu bezahlen.« Kama sprang von den Kisten hinunter, auf denen sie gesessen hatte, ignorierte den Rebellenführer und ging geradewegs auf Hakiem zu, während sie sich nervös das Haar aus der Stirn strich.
Zip folgte ihr, und in einigem Abstand der Stiefsohn Gayle.
»Hakiem«, wisperte Kama, »ist er noch da? Kommt er näher?«
»Er? Beide kommen näher, Mädchen. Was soll das Ganze? Das ist doch keine Art und Weise, von einer Geschichte die Hälfte auszulassen und Geld zurückzugeben, ehe auch nur einer es verlangt hat .«
»Ihr versteht nicht . Sync ist verschwunden! Als wir ihn zum letztenmal sahen, war er mit diesem Abschaum aus der Gosse - Zip - beisammen!« Sie riß ihren klirrenden Beutel auf; ohne ihre Waffen entfernte sich diese Frau nie von ihrer Truppe.
Gerade, als sie sich darüber beugte, um etwas herauszuholen, legte Zip von hinten die Ellenbeuge um ihren Hals und zog sie zu einem Stapel Stoffballen, noch ehe Hakiem eine Warnung rufen oder der in der Nähe lauernde Stiefsohn einschreiten konnte.
»Keinen Widerstand, Lady«, knirschte Zip. »Haltet Euren Wachhund zurück!«
Kama wehrte sich und keuchte.
Gayle kam im Laufschritt herbei, blieb jedoch stirnrunzelnd stehen.
»Sagt ihm«, befahl Zip Kama, während er sie weiter festhielt, »daß er keinen Schritt näher kommen soll. Ich will Eurem Bettgefährten nur eine Nachricht übermitteln. Sagt es ihm!«
»Gayle!« Kamas Stimme war gepreßt, ihr Kinn auf Zips Ellbogen zitterte. »Du hast ihn gehört. Rühr dich nicht von der Stelle!«
Der Stiefsohn stieß eine Reihe von häßlichen Verwünschungen hervor, ging in Hockstellung und legte sein Schwert über die Knie.
»So ist es besser«, brummte Zip. »Jetzt hört mir gut zu, Ihr auch, Geschichtenerzähler: Sync ist in Roxanes Gewalt. Er hat mich gebeten, ihn mit ihr bekannt zu machen, und das habe ich getan. Was danach geschehen ist - dafür kann ich nichts. Aber es ist vielleicht noch nicht zu spät, seine Seele zu retten, wenn irgend jemand von euch das will.«
»Wo ... wo hält sie ihn fest?« krächzte Kama.
»Am Schimmelfohlenfluß - sie bewohnt dort ein Haus, südlich von Ischades. Eure Veteranen wissen, wo es liegt. Aber sagt ihnen, daß es nicht durch meine Schuld dazu gekommen ist! Und wenn sie ihn nicht schnell rausholen, ist es zu spät! Sie müssen das Haus bei Tageslicht stürmen, da bewachen es bloß ein paar Bewaffnete und einige Schlangen, aber wenigstens keine Untoten. Habt Ihr mich verstanden, Lady?«
Erneut verstärkte er den Druck seines Arms um ihren Hals, dann stieß er sie von sich, sprang hoch und griff nach den Stricken der Stoffballen hinter sich, schwang sich hinauf und darüber und verschwand.
Hakiem erreichte Kama als erste. Sie hustete heftig und zitterte.
Er versuchte sie zu stützen, doch sie schüttelte seine Hände ab und schnappte nach Luft. Da erst wurde ihm bewußt, daß der Stiefsohn Gayle ihr gar nicht zu Hilfe gekommen war.
Er schaute sich nach ihm um und sah, daß Gayle sich ebenfalls auf die Ballen geschwungen hatte und soeben
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