Hexennacht
Blicken, weil er sich mit dem Feind eingelassen hatte. Aber er tat, als wäre alles wie immer. Die Schankmaid brachte ihnen ihr Bier und eine heimliche Botschaft: Eindaumen erwarte sie in der Hinterstube.
Gerade, als sie ihre Krüge geleert hatten und nach Münzen in ihren Beuteln fischten, schien vor dem Haus Vashankas Hölle loszubrechen.
Die Gäste drängten zur Tür und stürzten rasch zurück, als die gefürchteten Harka Bey - die beysibischen Söldnerinnen und Assassininnen in Uniform mit ihren verfluchten Schlangen auf den Armen -, gefolgt von Soldaten, hereinkamen und alle zwangen, sich an die Wand zu stellen.
»Was jetzt?« flüsterte Zip Sync zu, als die Frauen - die angeblich allein schon dadurch töten konnten, daß sie einen anspuckten - begannen, jeden einzeln zu entwaffnen und ihm die Daumen auf dem Rücken zusammenzubinden.
In der Mitte der Stube standen zehn Bey mit Armbrüsten. Zip beobachtete sie unter den Armen, die er, wie alle andern auch, über dem Kopf spreizen mußte.
Als Sync nicht antwortete, wisperte Zip erneut: »Na, was jetzt, Soldat? Wenn das die Folge von Randals Künsten ist, gehören wir jetzt wahrscheinlich der Gruppe an, die hingerichtet werden soll. Die Beysiber suchen die Schuldigen nicht, sie schnappen sich lediglich irgend jemanden auf gut Glück und metzeln ihn am Morgen nieder. Und das tun sie auf keineswegs angenehme Weise!«
Sync zuckte die Schultern, so gut sich das machen ließ, mit den Armen an der Wand und den Beinen gespreizt. »Ich bin bewaffnet. Wie sieht es mit dir aus?«
»Nicht anders. Ganz bestimmt will ich nicht, daß meine Leute sehen, daß ich wie ein Opferstier zum Schlachten geführt werde. Noch dazu, wo die Seele keine Ruhe findet, wenn man von einer Frau getötet wird.«
»Das wußte ich nicht«, spöttelte Sync.
»Dann weißt du es jetzt. Fertig? Sterben wir, solange wir noch Männer sind - das ist doch nicht zuviel verlangt!«
»Fertig«, hauchte Sync. »Bei drei versuchen wir, uns zu der Hintertür durchzukämpfen.« Er deutete mit dem Kopf nach rechts. »Aber dazu brauchen wir zwei dieser Beysiberinnen. Ich werde also erst zu zählen anfangen, wenn sie zu dir kommen: Sobald eine nach dir greift, packst du sie am Arm, drehst ihn um und ...«
»Ruhe!« rief eine tiefe, aber unverkennbar weibliche Stimme. Alle erstarrten.
Zip hielt es zunächst für eine beysibische Stimme, doch ihr folgte kein Giftbiß, keine Schlangenzähne, kein Armbrustbolzen durchschlug sein Rückgrat. Und in der ganzen Stube war es totenstill, nicht die geringste Bewegung war zu hören.
Plötzlich vernahm Zip ein Geräusch von der Treppe: das vertraute Tapp-tapp-tapp von Roxanes Absätzen; außerdem die schweren Schritte Eindaumens, als er neben ihr die Stufen herabstieg.
All das konnte er nur deshalb so gut hören, weil tatsächlich alle erstarrt waren, sogar die Beysiber standen mit stummen, offenen Mündern und kampfbereiten Waffen da, ihre Augen aber wirkten glasig. Die Gäste waren ebenfalls mitten in der Bewegung verharrt, und Tränen glitzerten in den Augen der Schankmaiden.
Im gesamten Erdgeschoß blieben nur Sync und Zip unberührt von Roxanes Zauber.
Sync löste sich bereits von der Wand; er hatte sein Schwert halb gezogen und hielt ein halbes Dutzend bandaranische Wurfsterne in der Linken. »Verdammt! Was geht hier vor? Wer, zum Teufel, ist sie?«
Zip richtete sich auf. »Danke, Roxane. Das hätte schlimm ausgehen können.« Ihre Schönheit hatte nicht mehr dieselbe Wirkung auf ihn wie früher. Ihre rötliche Haut und die tiefen dunklen Augen vermochten nicht mehr, ihn zu locken; aber Sync sollte nicht bemerken, daß Angst das Verlangen verdrängt hatte, das er früher für die Hexe empfand. Er nahm all seinen Mut zusammen und fuhr fort. »Das ist Sync. Er wollte dich kennenlernen, und Eindaumen ebenfalls. Er möchte sich an dem Aufstand beteiligen. Das ist doch richtig, Sync?«
»Völlig richtig.« Sync wirkte nur eine Spur eingeschüchtert. Aber Zip hatte häufig genug gesehen, wie Roxane einen Mann in ihren Bann schlug, und er wußte, daß Sync nicht dagegen gefeit war: Die Augen des Soldaten wichen nicht von ihren.
Er wollte es ja nicht anders, dachte Zip. Vielleicht werden wir doch noch Verbündete.
Langsam trat Roxane näher, nahm ihn und Sync bei der Hand und sagte: »Kommt, meine Herren. Ich möchte dieses Gesindel nicht noch länger in Bann halten. Eindaumen und ich bringen euch hinauf, dann mag das Gemetzel seinen Lauf nehmen.«
Sie leckte
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