Hexenopfer
das hinnahm, was sie war – sie vollkommen und ohne Vorbehalte akzeptierte. Sobald sie spirituell verbunden waren, wäre es für die Ewigkeit.
Dallas streckte die Arme nach ihr aus, seine Hand glitt über ihre Taille, als er sie umschloss. »Bist du sicher?«, fragte er. »Ich will nicht, dass du es nachher bereust.«
»Ich werde nichts bereuen.«
»Ich … äh … ich sollte ein … ich habe ein Kondom in meinem Rasierbeutel.«
Sie stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. »Geh du duschen und rasier dich, während ich bade. Wenn du fertig bist, werde ich in meinem Zimmer auf dich warten.«
»Das wird die schnellste Dusche und Rasur aller Zeiten.«
Sie lächelte. »Keine Eile. Wir haben die ganze Nacht.«
Er holte tief Luft und ließ Genny los. Als sie ging, spürte sie seinen Blick, der sie bis zur Tür begleitete.
Im Schlafzimmer zündete sie ein Feuer im Kamin an, zog eine Schublade im Schrank auf und holte ein Dutzend dicker, selbstgemachter, weißer Kerzen mit ihren Glashaltern heraus. Sie verteilte die Kerzen im Raum und zündete alle an, bevor sie das Licht ausmachte.
Ihr Bett war eine Antiquität, wie die meisten Möbel im Haus, ein großes Schlittenbett aus Mahagoni, das ihrer Mutter und ihrer Großmutter gehört hatte, bevor sie heiratete. Genny zog den Quilt aus bunten, handgestickten Vögeln und Blumen auf einem einst weißen Hintergrund zurück, der jetzt zu einer blassen Naturfarbe ausgebleicht war. Darunter lagen eine weiße Daunendecke und weiße Baumwolllaken. Die Bezüge der vier dicken Federkissen waren mit zarter, alter Spitze eingefasst, selbst gehäkelt von Urgroßmutter Butler. Fast alles in Gennys Zimmer hatte eine Verbindung zur Vergangenheit, mit weiblichen Vorfahren, die in diesen Hügeln von Tennessee gelebt und geliebt hatten und gestorben waren.
Genny hatte sich längst damit abgefunden, dass sie keine moderne Frau war, keine draufgängerische, tatkräftige Person wie Jazzy. Gennys Welt war eingeengt durch ihre einzigartige Persönlichkeit und ihre seltenen übersinnlichen Gaben. Sie würde dieses Haus nie verlassen, dieses Land, diese heimatlichen Hügel. Das Vertraute hielt sie zentriert, half ihr, die Balance zwischen Wirklichkeit und dem Übernatürlichen zu wahren. Vielleicht wäre Dallas nicht in der Lage, ein einfaches Leben hier in Cherokee County zu akzeptieren. Sollte das der Fall sein, bliebe ihr keine andere Wahl, als ihn gehen zu lassen. Sie konnte nicht mit ihm gehen, aber sie würde ihn nicht zwingen, zu bleiben.
Sie war bereit, alles anzunehmen, was die Zukunft mit sich bringen würde. Vor ihrem geistigen Auge stellte sie sich eine Zukunft mit Dallas vor, frei von Angst und angefüllt mit Liebe. Aber sie wusste besser als alle anderen, dass Vorhersagen stets einem Wandel unterworfen waren. Das Leben veränderte sich von einem Augenblick auf den anderen, abhängig von unzähligen Aktionen und Reaktionen. Das Leben jedes Menschen berührte das anderer und wirkte sich darauf aus, wie Gennys Ausblicke in die Zukunft am Ende ausgehen würden.
Manche Dinge jedoch schienen in Stein gemeißelt zu sein. Manches konnte ohne ein Wunder nicht verändert werden. Genny glaubte an Wunder, besonders an die grundlegenden und dennoch unterschwelligen Wunder, die tagtäglich im Leben eines Menschen geschahen. Die Geburt eines Kindes. Verlieben. Herrliches Kinderlachen. Innerer Friede. Süße Träume, die wahr wurden.
Diese Nacht war ihr Wunder.
Sie kniete sich vor die Zederntruhe am Fußende des Bettes. Ihr Urgroßvater hatte diese Truhe gezimmert und seiner einzigen Tochter Melva Mae geschenkt, die sie als Hoffnungstruhe benutzen sollte. In den Jahren, in denen Genny zur Frau heranwuchs, hatte Granny diese Truhe mit den Gegenständen gefüllt, die Genny benötigen würde, wenn sie zur Braut wurde. Nachdem sie den Deckel angehoben hatte, fuhr sie mit der Hand über das Baumwollkleid, das auf den fein säuberlich gepackten Sachen darunter lag. Das weiße Kleid war fast durchsichtig, schlicht in der Form und verziert mit winzigen Perlknöpfen. Zarte Spitze schmückte das Mieder und den Saum. Ein jungfräuliches Kleidungsstück, wie geschaffen für eine Nacht der Weihe. Genny hob das hauchzarte, leichte Nachthemd heraus und legte es sich über den Arm. Dann lief sie ins Badezimmer.
Nachdem er sich rasiert hatte, zog sich Dallas aus, ließ alles auf den Boden des Badezimmers fallen und trat unter den lauwarmen Wasserstrahl, der aus dem Duschkopf herab
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