Hexenopfer
dass auch Sie ein Alpharüde sind, der in sein Revier eingedrungen ist.«
»Ich muss doch nicht befürchten, dass er mir heute Nacht im Schlaf die Kehle aufreißt, oder?«, fragte Dallas halb scherzhaft.
»Darf ich Ihnen Ihren Mantel und die Handschuhe abnehmen?«, bat sie ihn. »Ich werde den Mantel aufhängen, dann dürfte er in ein paar Stunden trocken sein.«
Er zog seinen Mantel aus, streifte die Handschuhe ab und gab ihr beides. »Danke.«
Sie nahm die Kleidungsstücke und deutete mit der ausgestreckten Hand auf den Raum zur Linken. »Gehen Sie ins Wohnzimmer und setzen Sie sich an den Kamin. Ich nehme die Sachen mit und bringe Ihnen Tee, und wenn Sie wollen, auch ein Sandwich.«
»Ich möchte Ihnen keine Umstände machen.« Apropos Gastfreundschaft der Südstaaten. Diese Frau würde beim Wettbewerb um die perfekte Gastgeberin den ersten Preis gewinnen.
»Kein Problem«, erwiderte sie und ging den Flur entlang. Zum Glück folgte Drudwyn ihr. Dann rief sie: »Im Wohnzimmer ist ein Telefon. Rufen Sie Jacob ruhig an. Versuchen Sie es im Sheriff’s Department, und wenn er da nicht ist, kann ich Ihnen seine Privatnummer geben.«
»Okay, danke. Ich rufe ihn an.«
Dallas schaute sich in dem Raum um und hatte plötzlich das Gefühl, in der Zeit zurückgereist zu sein. Er bezweifelte, dass es hier etwas gab, das nicht mindestens fünfzig Jahre alt war, das meiste wahrscheinlich viel älter. Die Wände waren bis auf halbe Höhe mit altem Holz verkleidet, das er für Kiefer hielt, gereift zu einer kräftigen Patina, die im sanften Licht der Tischlampen zu beiden Seiten des Sofas und des Kaminfeuers schimmerte. Die Möbel wirkten wie Museumsstücke, machten allerdings einen häufig benutzten Eindruck, der von ständigem Einsatz über Generationen hinweg zeugte. Der Boden bestand aus breiten Dielen, makellos sauber und auf Hochglanz poliert.
Dallas’ Blick fiel auf das moderne, schnurlose Telefon auf dem offenen antiken Sekretär. Gott sei Dank war etwas in diesem Zimmer auf dem neuesten Stand. Er nahm das Telefon und setzte sich in einen der beiden Ohrensessel am Kamin. Die Wärme drang durch seine feuchte Kleidung. Er seufzte. Er war in einem verdammten Schneesturm hierhergefahren und wäre vielleicht gezwungen gewesen, in seinem liegen gebliebenen Fahrzeug auszuharren, wäre das Schicksal nicht eingeschritten. Das hatte ihn in ein warmes, einladendes Haus geführt.
Während er es sich bequem machte, holte er ein kleines schwarzes Notizbuch hervor und schlug es auf. Laut wiederholte er die Nummer, die er vor seinem Aufbruch aus Washington am frühen Abend hineingekritzelt hatte. Er hatte den nächstbesten Flug genommen, der ihn nach Knoxville gebracht hatte, statt auf einen Flug am Morgen zu warten, mit dem er direkt auf dem kleinen Flugplatz von Cherokee Pointe gelandet wäre. Rückblickend wurde ihm klar, dass es günstiger für ihn gewesen wäre, den Morgenflug zu nehmen.
Er drückte auf den Einschaltknopf und wählte die Nummer des Sheriff’s Departments. Nach dem zweiten Klingeln meldete sich eine männliche Stimme.
»Hier spricht Special Agent Dallas Sloan«, sagte er dem Mann, der sich als Deputy Bobby Joe Harte gemeldet hatte. »Ist Sheriff Butler zu erreichen?«
»Ja, zufällig. Bleiben Sie dran, ich verbinde Sie. Ich weiß, dass er Sie heute Abend erwartet hat.«
»Ich bin aufgehalten worden«, sagte Dallas. »Ich werde es nicht vor morgen in die Stadt schaffen.«
Dallas wartete auf eine Antwort. Nichts. Dann merkte er, dass das Telefon tot war. Verdammt. Jetzt würde er keine Möglichkeit haben, heute Abend mit Butler zu sprechen.
»Haben Sie Jacob erreicht?«, fragte die Frau, als sie das Wohnzimmer mit einem Silbertablett in den Händen betrat.
Dallas sprang auf. Er nahm ihr das Tablett ab und stellte es auf den Tisch links vom Kamin, auf den sie mit geöffneter Handfläche zeigte.
»Ich hatte einen Deputy Harte am Apparat, aber die Verbindung wurde unterbrochen, bevor ich mit dem Sheriff sprechen konnte.«
Sie bedeutete ihm, Platz zu nehmen.
»Tja, das heißt, das Eis ist für die Telefonleitungen zu schwer geworden und hat sie durchtrennt.« Sie hob die silberne Teekanne und goss eine rotbraune Flüssigkeit in eine Porzellantasse. »Ich habe Ihnen ein Sandwich mit Huhn und Salat gemacht. Geht das in Ordnung?«
»Sind Sie immer so entgegenkommend zu Fremden, die an Ihrem Berg stranden?« Er nahm die Teetasse entgegen. »Wenn ja, bin ich überrascht, dass Ihr Vetter Jacob Ihnen nicht
Weitere Kostenlose Bücher