Hexenopfer
seine Frau war, würde er ihr beibringen, ihn zufriedenzustellen.
Brian spürte eine neue Erektion und ließ sich auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch fallen. Dann rief er seinem Onkel nach: »Vergiss nicht, Genny zu sagen, dass ich mir Sorgen um sie gemacht habe.«
»Soll ich nicht zu Jasmine’s rübergehen und Gertie bitten, uns Abendessen zu machen?«, fragte Genny. »Ich weiß, ihr beide habt viel zu besprechen und wollt mich wahrscheinlich nicht dabei haben.«
»Nicht, dass ich dich nicht dabei haben möchte«, erwiderte Jacob. »Nur …«
»Du und Dallas, ihr braucht Zeit, um herauszufinden, ob ihr euch vertraut und ob ihr wirklich zusammenarbeiten könnt. Und wenn ich hier bin, kann keiner von euch brutal ehrlich sein.«
»Sag Gertie, sie soll Suppe und Sandwiches machen und alles herbringen«, trug Jacob ihr auf. »Und dann, nach dem Abendessen, folge ich dir auf dem Heimweg.«
Genny ließ Dallas bei Jacob und wusste, noch bevor sie zur Tür hinaus war, dass Jacob ihr an dem Abend nicht folgen würde. Dallas hatte bereits entschieden, dass er dem Sheriff die Fahrt ersparen würde. Sie spürte, wie hart Dallas seine Zuneigung zu ihr bekämpfte, wusste aber, dass er diese Schlacht am Ende verlieren würde. Er war auf einer persönlichen Suche nach Cherokee County gekommen, nicht um eine Romanze mit einer Frau anzufangen, die behauptete, hellseherische Fähigkeiten zu besitzen, an die er nicht glaubte. Sie verstand, warum er sich durch nichts von seiner Mission abbringen lassen wollte. Er hatte etwas dagegen, sich durch etwas oder jemanden ablenken zu lassen, der sich in seine Suche nach dem Mörder seiner Nichte einmischen könnte. Und gerade jetzt war die größte Frage, die sich Dallas und Jacob gleichermaßen stellten, ob der Mann, der Dallas’ Nichte umgebracht hatte, derselbe war, der Susie Richards und Cindy Todd geopfert hatte.
Während Genny die Straße entlang zu Jasmine’s ging, dachte sie darüber nach, wann sie Cindy das letzte Mal gesehen hatte. Die Frau des Bürgermeisters war ungefähr vor einem Monat den Berg hinaufgefahren, um mit ihr zu sprechen, kurz vor Weihnachten. Genny »wahrsagte« grundsätzlich nicht. Doch für ein paar Auserwählte, die verzweifelt Hilfe brauchten, setzte Genny ihre besondere Gabe ein. Wenn jemand Hilfe gebraucht hatte, dann Cindy. Cindy war als Kind missbraucht worden, war mit sechzehn von ihrem Freund schwanger geworden, hatte mit siebzehn das Kind zur Adoption freigegeben und war anschließend drogenabhängig geworden. Ein junges Leben, das einer Horrorgeschichte gleichkam. Als Jerry Lee Todd vor sechs Jahren in Florida Urlaub machte, hatte er Cindy im Sturm erobert und sie nach Cherokee Pointe gebracht. Er hatte ihr eine fingierte persönliche Geschichte angedichtet und versucht, sie als Klasse auszugeben, wie er es nannte. In ihrem Privatleben jedoch war Jerry Lee allmählich ausfallend geworden. Zunächst mit Worten, dann, im letzten Jahr, auch körperlich. Sogar im ersten Jahr ihrer Ehe hatte Cindy Trost bei anderen Männern gesucht und war in alte Gewohnheiten zurückgefallen.
Genny hatte Elend für Cindy vorausgesehen und ihr geraten, Jerry Lee zu verlassen. Sie hatte geglaubt, die Tragödie, die sie in Cindys Zukunft gesehen hatte, könnte abgewendet werden, wenn sie vor ihrem brutalen Mann das Weite suchte. Jetzt aber hatte es den Anschein, als hätte die von Genny vorausgesehene Tragödie nichts mit Cindys Ehe zu tun.
Genny blieb vor dem Restaurant stehen, trat den Schnee von ihren Stiefeln und öffnete eine Hälfte der Doppeltür. Als sie das Restaurant betrat, umfing sie angenehme Wärme. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an das gedämpfte Licht gewöhnt hatten. Nachdem sie den Mantel ausgezogen und über ihren Arm gelegt hatte, begab sie sich am Eingang vorbei zur Küche. Sie schaute sich um und stellte fest, dass eine Handvoll Gäste an verschiedenen Tischen und in Nischen saß. Da es noch früh für den abendlichen Ansturm war, wunderte sie sich, dass das Restaurant nicht leer war. Bevor sie an die Küchentür kam, rief Misty Harte ihr zu.
»Hey, Genny.«
Genny blieb stehen und drehte sich zu der Frau um, die seit geraumer Zeit hinter Jacob her war. Misty war die ältere Schwester von Deputy Bobby Joe Harte. Fünfunddreißig. Zweimal geschieden. Keine Kinder.
»Hi, Misty, wie geht’s dir?«
»Ganz gut. Und was ist mit dir?« Genny musterte die Frau beiläufig. Gebleichtes blondes Haar, zu einem Pferdeschwanz
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