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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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schalt. Ich verstand ihn damals nicht, und wähnte schon, in einer höhern Weisheit, als mein Lehrer, einheimisch zu sein. Wahrscheinlich wäre mein Abfall von dieser schwindelnden Höhe noch gefährlicher und heilloser als mein früherer geworden, wenn nicht das Glück oder mein Schicksal, vielleicht der Himmel, vielleicht ein böser schadenfroher Geist, mir einen Mann entgegengeführt hätte, der so in meinem Herzen das Gefühl der irdischen und ewigen Liebe anzündete, daß in diesem Schimmer sich alles sühnte und erquickte, alle jene über die Erde fliegenden Gefühle und Phantasien sich im nächsten Gefühle milderten und zum Verständnis wurden.
    Ja, Friedrich, ich habe einmal geliebt, ich bin geliebt worden, und meine Liebe war kein Irrtum, war es wenigstens in ihrem ersten Frühlingsalter nicht. Ach nein, die Liebe selbst ist niemals ein Mißverständnis, nur stößt und verwundet sie sich leicht an diesen Mißverständnissen des Lebens und der Wirklichkeit.

Ein Mann, der schon das Jünglingsalter überschritten hatte, Robert, ward durch den Pater Philipp in unser Haus eingeführt. Sowie ich ihn nur erblickte, mußte ich Vertrauen zu ihm fassen. Jetzt begann der Frühling meines Lebens, jetzt erst fand ich mich selbst im Abglanz meines Freundes, im Verstehen seines hohen Geistes erwachte meine Seele erst von ihren Träumen.
    Ihr seht, mein trauter Friedrich, daß ich ganz wie zu einem geliebten Bruder zu Euch spreche. Mein Bildnis wird nach diesen Geständnissen meines Glückes und Unglückes klarer in Eurer Seele stehn. Dieser Robert hatte viele Länder durchwandert und war in Jerusalem mit dem Bruder Philipp bekannt worden. Seine Seele kam der meinigen entgegen und wir verstanden uns.
    Ohne Wunsch, ohne Streben war diese Liebe. Es genügte uns Gespräch, Blick, Verständnis, Beisammensein. Robert war ganz glücklich, und ich war beseligt, daß er nicht mehr begehrte. Ein ganzer, heiterer, höchst beglückter Sommer verfloß uns in dieser kristallreinen Freude. Aber es sollte nicht immer so bleiben. Durch meinen Geliebten erfuhr ich zuerst von einem gewissen gereinigten Christentum, das sich im stillen verbreitet, und in vielen Ländern die helleren Geister, die kräftigeren Gemüter zu einem geheimen, unsichtbaren Bunde vereinigt hatte. Dieses Bündnis war gegen die verfolgenden Priester und den tötenden Buchstaben ihrer rohen Satzungen gerichtet. Schon früher, belehrte mich mein Freund, hatten Waldenser und Albigenser dieselben Erleuchtungen gesucht, doch bei der fast allmächtigen Hierarchie jener Tage waren sie vertilgt worden, weil sie ihre Einsichten zu offenkundig gemacht hatten; das empörte Volk, das den geistigen Sinn nicht fassen konnte, mordete die Priester und zerstörte die Kirchen, und Klerisei wie Regenten vertilgten mit Feuer und Schwert diese Rebellen. Seitdem bewachte die geistliche Inquisition und der Dominikanerorden die Länder. Man freut sich, daß man heutzutage über dergleichen zu vertrauten Freunden, wenn auch noch nicht öffentlich, sprechen darf. Diese Einsichten vermehrten das Glück meiner Liebe, und ich tat mir selbst das Gelübde, mich niemals zu vermählen, um in diesem geistigen Bunde meine ganze Befriedigung zu finden, und so am schönsten mein Leben zu erfüllen.
    Aber es war mir nicht gegönnt, meinen Vorsatz auszuführen. Die Priester, die sich zwar nicht die Macht der früheren Jahrhunderte anmaßen durften, waren doch in Wut, als sie hie und da auf die Spuren dieser unsichtbaren Gemeine gekommen waren, und sie zürnten um so mehr, weil alle diejenigen, die sie auf ihrem dunkeln Wege entdeckten, zu den tugendhaftesten und frömmsten Christen gehörten, die sie selbst vielfach gelobt und andern als Muster zur Nachahmung aufgestellt hatten. Mein Vater schäumte vor Wut, und der angeklagte verdächtige Robert durfte unser Haus nicht mehr betreten. Damit nicht zufrieden, suchte mein Vater mir unter seinen geistigen Zunftgenossen einen Gemahl aus, der mich genauer bewachen und vor allen Verirrungen bewahren sollte. Ein ehemaliger Soldat, noch älter als mein Vater, war derjenige, den die Priester auserkoren, um meine Seele zu retten. Sein Wandel war in der Jugend und in jenen Feldzügen so ruchlos gewesen, daß man sprichwörtlich denjenigen, den man als abscheulich bezeichnen wollte, nur »so arg, als Denisel« nannte. Obgleich sich dieser Sünder bekehrt hatte, auf jene Weise nämlich, auf welche ihn jene abergläubigen Priester hatten bekehren können, so war der

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