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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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wenn sie sich der Alltäglichkeit, den kümmerlichen Gewohnheiten des Lebens, der hoffnungslosen Mittelmäßigkeit unbedingt ergeben, und einem Gatten angeschlossen sind, der auch von sich und dem Leben nichts als ein jammervolles Unbedeutendes erwartet. – Gefühl, Liebe, Sehnsucht nach Wahrheit und unsterblichen Gütern überliefert uns immer wieder dem schadenfrohen bösen Feinde.
    Was mir am leidlichsten schien, ja was mir eine Art von Trost gewährte, war die Grausamkeit, mit der mich dieser aufgedrungene Gatte mißhandelte. Mein Vater, die Priester und er waren übereingekommen, daß er mich, als Ersatz der Kirchenbuße, wegen meiner Abtrünnigkeit täglich züchtigen und strafen könne, auch ohne alle Veranlassung, ohne daß ich gegen ihn den kleinsten Fehl, nach seiner Meinung, begangen habe. Dies zu tun vergaß mein Peiniger nie. Meine Gesundheit schwand, mir war alles gleichgültig, ich stand in keinem Verhältnis, in keinem Zusammenhange, weder mit Gott noch Menschen. – Ach! mein Freund, ich habe viel gelitten, ich habe viel gefehlt, und auch an der Liebe mich versündiget. Damals wünschte ich kaum noch den Tod, denn Sein und Nichtsein lag in der fürchterlichsten Gleichgültigkeit vor mir. Ich glaube, eine Pflanze hat mehr Stolz.
    Unvermutet lichtete sich mein Dasein wieder aus. Die Liebe macht listig und erfinderisch, und so hatte Robert Mittel gefunden, durch Verkleidung unkenntlich gemacht, wieder in die Stadt zu kommen; er hatte mit meinem Peiniger Bekanntschaft gemacht, und als armer Bittender dessen Gunst so sehr gewonnen, daß dieser ihn in seine Dienste nahm. Wie erstaunte, wie erschrak ich, ja hielt es für ein Wunder, als mein Mann mir meinen Geliebten, meinen Gatten selbst in mein Zimmer führte, und diesem die Aufsicht über mich anvertraute.
    Freilich hatte sich mein Leben nun verwandelt. Die Kunst des Robert vermochte viel über den unmenschlichen Denisel, nur konnte er ihn nicht überreden, die Strafen, mit denen er mich täglich heimsuchte, zu unterlassen. In der Abwesenheit des Mannes war Robert mein Gesellschafter. Oft aber, wenn Denisel keine vornehmen Freunde fand, mußte Robert mit ihm trinken und schwärmen; in diesen wilden Stunden erzählte er ihm von den Streichen seiner Jugend, von seiner Rohheit und Mordsucht im Kriege, von den Weibern und Mädchen, die er verführt und elend gemacht hatte, von den Bauern und Bürgern, die er geplündert oder in ihren Häusern verbrannt hatte. Auch jetzt noch, ob er gleich Greis war, hatte er noch seine Liebschaften mit gemeinen und liederlichen Dirnen. Alles dies erzählte mir Robert, und es war natürlich, daß ich meinen Quäler nur um so mehr verachtete und haßte.
    War mein Wesen verwandelt, so war auch Robert nicht mehr, wie ich ihn ehemals gekannt hatte. Sein Sinn war weltlicher, heftiger, ja ich mag es wohl so ausdrücken, roher geworden. Die Gelage, zu welchen er meinen Mann begleiten mußte, waren ihm bald nicht mehr so zuwider, wie anfangs; ich entschuldigte es, wenn ich ihn manchmal berauscht sah, daß er sich der Umgebung und dem Willen seines Herrn fügen müsse. Wollte ich, wenn ich ihn jetzt betrachtete, meine Empfindung für ihn mit jener messen, wie sie noch vor kurzem, wie ein Engel leuchtend, durch meine Seele flog, so schnitt es durch mein Herz; ich konnte mich jenes Himmelsklanges nicht erinnern, und mir war, als sei alles nur Lüge gewesen, welche mir eine Seligkeit erheuchelt hatte.
    Warum, Freund, führe ich Euch diese Wanderung durch die furchtbare Wüste meines Gemütes? Ihr sollt mich kennen lernen, damit Ihr Euch und mich beruhigt. Aber richtet nicht zu strenge, und entzieht mir Eure Achtung und Freundschaft nicht.
    Heftiger geworden, in einen Mann verwandelt, der sich viel weltlicher als ehemals zeigte, glaubte Robert sich durch seine ihm von der Kirche gegebenen Rechte ermächtigt, vertraulich mit mir umzugehen, und auf das neu geschlossene Bündnis keine Rücksicht zu nehmen. Alle meine Zweifel wußte er mit seiner Beredsamkeit zu widerlegen, seine Bitten bestürmten mich, die Achtung vor mir selbst hatte ich längst verloren, meinem Quäler glaubte ich keine Pflicht schuldig zu sein, Religion und Priester hatten sich mir als Feinde, die erkäuflich waren, gegenübergestellt, und so ergab ich mich ihm, in der Überzeugung, ihn glücklich zu machen.

Ich fühlte, daß er mich noch liebte, aber jene Heiligkeit war aus seiner Liebe entschwunden; er ehrte mich nicht, er achtete mich nicht mehr; Mitleid, Erbarmen

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