Hexensabbat
mochte drei Wochen her sein. »Willst du Geld?« brüllte er, »laß es wegmachen.« Aber sie redete von ihrem Gewissen und von Liebe und von ihren Eltern. Till wurde ganz heiß. Eine Schwangere am Hals war das letzte, was er jetzt brauchen konnte. Das Kind mußte weg. Wenn es überhaupt von ihm war. Wenn sie überhaupt schwanger war. »Du lügst! Du mußt lügen!« Er hatte die Stimme gesenkt, womöglich lauschte Anna, zwischen ihrem und seinem Zimmer war nur eine dünne Wand.
»Komm her, ich beweise es dir!« Damit legte Andrea auf.
Es fiel Till in letzter Sekunde ein, daß er Anette Bescheid sagen mußte. »Ich komme später, eine Familiengeschichte«, das war nicht einmal gelogen. Er hatte befürchtet, sie würde sauer reagieren, doch sie hörte sich eher gleichgültig an. »Macht nichts«, sagte sie nur.
»Hat es geklappt?« fragte Anna.
Punkt sieben hatte Anna das Telefon nebenan läuten hören. Sie hatte gehört, wie Till losbrüllte und dann leiser wurde. Sie kannte seinen Schritt, wenn er in Rage war. Er stampfte umher, er vergaß seinen Wiegeschritt, den Anna im übrigen immer seltsam gefunden hatte; er schaukelt mit den Hüften wie eine Tunte, hatte sie neulich gedacht, als sie ihn in einem mintfarbenen Sakko mit dicken Schulterpolstern auf sich zukommen sah. Vor zwei Stunden hatte garantiert nichts an ihm sich gewiegt, die Wendeltreppe aus Stahlrohr hatte vibriert, jeder Tritt hatte sich in Annas Kopf gebohrt. Dann war die Haustür zugeknallt, es würde sie nicht wundern, wenn der Putz des Vordachs heruntergekommen wäre.
»Ja«, antwortete Andrea. »Ich glaube schon. Er war so etwas von wütend …«
»Und das Ultraschallbild hat er auch geschluckt?«
»Hundertprozentig. Das war eine Mordsidee von dir.«
»Wenn Till wüßte!«
Das Ultraschallbild der vermeintlichen Leibesfrucht zeigte Andreas Leber, darunter standen ihr Name und das Geburtsdatum und der Name des Arztes, es sah sehr amtlich aus. Sonst war nichts zu sehen außer einem dunklen Fleck in weiß-grauem Gewabere. Anna hatte vor einiger Zeit selbst eine Sonographie von ihrer Leber machen lassen. »Sieh mal«, hatte sie zu ihrer Schwägerin gesagt, die hatte auf das Gewabere mit dem schwarzen Fleck gesehen und war ihr prompt um den Hals gefallen. »Wie herrlich, du bist schwanger!« Das hatte Anna auf die Idee gebracht, einen Beweis für Andreas Schwangerschaft zu konstruieren. Es hatte geklappt.
»Er hat mir einen Tausender gegeben.«
»Tausend für eine Abtreibung? Er ist ein Knickerer.«
»Was mache ich mit dem Geld?«
»Steck es in die Aktion Till. Wir brauchen dringend Betriebskapital.«
»Wenn er wüßte.«
»Sachte. Und vergiß nicht, Babyzeug zu organisieren. Sobald er das nächste Mal anrückt, reckst du den Bauch vor und zeigst ihm ein paar niedliche Strampler, das haut ihn um.«
»Oder er mich.«
»Natürlich sichern wir dich ab. Brief beim Notar und so.«
»Du glaubst, das klappt?«
»Garantiert.«
Anna hatte ein Gefühl wie bei gutem Sex, als sie den Hörer zuklappte. Sie schloß nicht einmal die Türe. Ihre Schenkel schoben sich auseinander, eine Hand schlüpfte dazwischen, es war sehr warm dort.
Als Anna aufsah, sah sie Till. Er stand draußen in dem dunklen Flur. Ihre Hand sank erschöpft zur Seite. Bevor sie auf ihn losfahren konnte, war er verschwunden. Anna überlegte, ob er wirklich dagewesen war und ihr zugesehen hatte. Sie sah sein Gesicht vor sich. Es hatte ihn geil gemacht, ihr dabei zuzusehen.
Till, der Spanner! Vielleicht würde sie ihn wieder zusehen lassen. Diesmal war es Zufall gewesen. Es könnte anders sein und ein Teil des großen Till-ich-krieg-dich-Plans. Zum ersten Mal fühlte Anna, daß Macht verführerisch war. Ich bin geil, dachte sie.
Krötenschleim und Fingerspiele
Anna wachte auf und dachte an ihre Blumen. Sie hatte gestern eingekauft wie eine Verrückte, Zwergpfeffer und Papageienwinden, Efeututen, Mooskraut, Gloxinien und zwei Oleandersträuche. Ohne weiter nachzudenken, hatte sie in dem Blumencenter zugegriffen, für sechshundertachtundsiebzig Mark. Anna hatte das kaltgelassen. Obwohl sie kaum noch Geld für diesen Monat hatte, war ihr, als müsse sie nicht mehr weiterknausern wie bisher.
Anna räkelte sich in ihrem Bett und blinzelte in die Sonne. Sie würde den Tag mit Gartenarbeit verbringen, alles neu bepflanzen und umtopfen, sie sah und roch die bunte Fülle schon. Wenn die Sonne schien wie jetzt, dauerte es nicht lange, bis alles um sie herum blühte.
Anna
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