Hexenschuss: Tannenbergs dreizehnter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
abgehärtet, kann ich dir flüstern. Ich brauche das Dope in einer Dosis, bei der ein Elefant sofort Pirouetten drehen würde.
Sie kicherte derart laut und affektiert, dass sich mehrere Passanten nach ihr umdrehten.
Was soll dieser Blödsinn, du dusselige Kuh!, beschimpfte sie sich selbst. Du musst dich völlig normal benehmen! Du darfst nicht auffallen! Reiß dich zusammen, sonst gefährdest du den genialen Plan!
Vicki verlangsamte ihre Schritte, blieb in der Fackelstraße vor einigen Schaufenstern stehen und betrachtete die Auslagen. Dann schlenderte sie durch die Kerststraße, wo sie sich in einem Handyladen die neuesten Smartphone-Modelle zeigen ließ.
Anschließend suchte sie eine nahegelegene Buchhandlung auf. Pro forma durchstöberte sie den alphabetisch geordneten Taschenbuchbestand nach ihrem Namen, wurde aber nicht fündig. So wie immer in größeren Buchhandlungen. Ihre literarischen Werke fanden sich nur in einigen wenigen alternativen Frauen-Buchläden, die sich zum Ziel gesetzt hatten, feministischen Schriftstellerinnen ein Forum zu bieten. Mit einem kurzen, verächtlichen Blick auf die im Eingangsbereich präsentierten Bestseller verließ sie den Laden.
Am Union-Kino überquerte sie die Alleestraße und schwenkte an der nächsten Ampel in die Richard-Wagner-Straße ein. Nach nur fünf weiteren Gehminuten erreichte sie den Kaiserslauterer Hauptbahnhof.
Sie kaufte sich ein Päckchen Zigaretten und steuerte den erstbesten Bahnsteig an. Dort setzte sie sich auf eine Wartebank. Während sie die hektisch ein- und aussteigenden Zugpassagiere beobachtete, zündete sie sich einen Glimmstängel nach dem anderen an.
Was für ein Wahnsinn!, dachte sie bei sich. Stress, Hektik, Drängeln, Schubsen, Fluchen … Und warum das alles? Nur um noch mehr Kohle zu scheffeln.
Vicki legte den Kopf ins Genick und presste den Rauch in kleinen Wölkchen in die Luft. Doch der schneidende Fahrtwind eines ankommenden ICEs bereitete diesem Spiel ein schnelles Ende.
Wie Rennmäuse in einem goldenen Käfig. Und wer sind die Chefs in diesem großen Monopoly?, sinnierte sie. Die Männer natürlich mit ihren Seilschaften, mit denen sie ihre Freunde auf die besten Jobs hochziehen. Völlig egal, ob die überhaupt dafür qualifiziert sind.
Wir Frauen hängen unten am Seil und können so viel strampeln, wie wir wollen. Wir haben keine Chance hochzukommen. Keiner von diesen Machos zieht uns hoch, keiner. Ein bitteres, abschätziges Grunzgeräusch. Die schneiden eher noch das Seil durch und lassen uns in den Abgrund stürzen. Verdammte Männerwelt!
Vicki schloss die Augen.
»This is a man’s world, this is a man’s world, but it wouldn’t be nothing, nothing without a woman or a girl«, sang sie leise.
Während ihre Lippen die Worte des Songtextes formten, schnitt sie Grimassen wie ein zugedröhnter Rocksänger auf der Bühne. Als sie die Augen wieder aufschlug, stand ein pausbäckiges Mädchen vor ihr. Die Kleine zupfte am Mantel ihrer Mutter und zeigte auf die merkwürdige Frau. Wie von einer Tarantel gestochen sprang Vicki auf und machte sich aus dem Staub.
Verdammt, verdammt, hör endlich auf mit diesem Scheiß! Oder willst du etwa riskieren, dass die Bahnbullen auf dich aufmerksam werden?, beschimpfte sie sich selbst.
Kopfschüttelnd blieb sie auf der Treppe stehen. Plötzlich spürte sie ein flaues Gefühl im Magen. Sie schaute hoch zu einer der Bahnhofsuhren.
Ja, ja, schon gut. Ich weiß, es ist schon 12 Uhr durch, Zeit, mal wieder etwas zwischen die Kiemen zu schieben, führte sie ihr Selbstgespräch fort.
In der Fußgängerunterführung schlug sie diesmal den entgegengesetzten Weg ein. Sie hatte noch viel Zeit bis zu ihrem nächsten Einsatz und musste sich dringend Ablenkung verschaffen.
Ein schöner Fußmarsch macht den Kopf klar, baut Aggressionen ab und frisst die Wartezeit auf, feuerte sie sich selbst an.
Sie hatte keine Lust, wie fast jeden Tag zu Hause eine Fertigpizza in den Ofen zu schieben. Spontan beschloss sich, ihren Twingo am Stadtpark stehen zu lassen und in der Cafeteria der Universität zu Mittag zu essen. Sie nahm den Weg über die Zollamt- und die Pfaffenbergstraße, dann die Abkürzung an der Pestalozzischule.
Obwohl seit zwei Wochen Semesterferien waren, fand Vicki erst nach längerer Suche einen freien Platz an einem der Cafeteriatische. Verwundert stellte sie fest, dass die zumeist männlichen Studenten nichts aßen oder tranken, sondern über ihren Collegeblöcken brüteten oder
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