Hexenstein
düsterer Schleier aus, den nur die hellsten Sterne zu durchdringen vermochten, und dann fahl, wie tot über dem See hingen. Kein Lüftchen regte sich.
Am Haus angekommen, sah er den Streifenwagen direkt vor der Hofeinfahrt stehen. Das Blütenfeuerwerk vom Vormittag war in Schwärze und feuchtklebriger Luft versunken. Erst jetzt merkte Schielin, dass er schon verschwitzt war. An der Motorhaube lehnte ein Kollege, den er schon seit Ewigkeiten kannte. Als er Ewald Kubow begrüßte, meinte er, in ein besonders bleiches Gesicht zu blicken. Auch war von der fast eruptiven Fröhlichkeit, die er sonst von ihm gewohnt war, nichts zu spüren. Nüchtern berichtete er: »Vor einer guten halben Stunde sind wir hier angefahren. Wir haben beide ganz deutlich den Schein einer Taschenlampe gesehen. Unten, hinter den Fenstern, die zum Garten hin weisen. Die Sabine steht da oben im Schatten vom Baum und passt auf.« Er atmete tief aus, so, als wäre er soeben eine große Last losgeworden.
»Alles in Ordnung?«, fragte Schielin.
»Jaja. Alles in Ordnung. Wir wollten aufgrund der Vorgeschichte da nicht so einfach reinrennen. Wer weiß schon. Tut mir leid, dass wir dich rausgeholt haben.«
Schielin klopfte ihm auf die Schulter. »Ist schon in Ordnung. Ich habe sowieso nicht schlafen können. Die Hitze.«
»Ja, die Hitze«, entgegnete Ewald Kubow mit belegter Stimme und sah mit starren Augen zur Fensterfront.
Scheiß Nachtdienst, dachte Schielin, macht die besten Leute fertig.
Ein Motorengeräusch war zu hören, immer lauter werdend. Die Kollegen von der Fahndung. Schielin überlegte, was zu tun sei. Auch er spürte den Druck im Magen und die extra Portion Schweiß. Er verabredete mit den anderen, dass Kubow und Sabine ihre Positionen behalten sollten und er mit den zwei Kollegen der Fahndung ins Haus gehen würde. Er kannte sich schließlich als Einziger aus. Sie überprüften stumm ihre Waffen, machten die Handschellen klar und gingen zur Tür. Schielin schloss auf, drückte im gleichen Augenblick die Klinke laut und heftig nach unten und riss die Türe auf. Schnell durchschritt er den Vorraum. Im Geiste sah er die Schuhe am Boden, die Jacken an der Wand.
Ohne dem Strahl seiner Maglite zu folgen, schlug er die Klinke der nächsten Türe auf, stieß das Türblatt in den dunklen Wohnraum, glitt um die Ecke und drückte sich, halb kauernd, an die Holzwand. Er fingerte um die Ecke nach dem Lichtschalter, an den er sich gut erinnerte. Die brutalen Strahlen dreier Maglites fuhren derweil durch die geöffnete Tür in das Wohnzimmer. Die Stühle warfen grelle Schatten und wenn man seine Fantasie nicht im Griff hätte, hätte man mit jedem Schwenk der Taschenlampen alles Mögliche und Unmögliche erkennen können. Er rief laut seinen Namen und das Wort Polizei. Alles im Körpern stand unter Druck, und doch fühlte man sich auf befremdende Weise befreit, nachdem die Situation geschaffen und die Gegenwart mit jeder Sekunde deutlich erlebbar war. Fremde, unerwartete Energie floss und die Hitze war für den Augenblick vergessen. Man musste nur gelernt haben, das Klopfen im Kopf und das Rauschen im Ohr zu kontrollieren und richtig zu atmen. Lediglich der Griff zum Lichtschalter führte zu einer grotesken Situation. Es war eine Stromsparlampe und nachdem Schielin den Schalter gedrückt hatte, jammerte ein zarter roter Schein im Raum, der nur der Lampe selbst Licht gab. Lange Sekunden dauerte es, bis die Intensität wuchs und die Farbtemperatur kühler wurde. Schielin wartete genervt und sah kurz um die Ecke. Niemand zu sehen. Jetzt atmete er tief aus, sah nochmals um die Ecke, diesmal mit besonderem Augenmerk auf die Treppe und den Durchgang zur Küche. Nichts. Er schlich um die Ecke und glitt, eng an die Wand gedrückt, zum Treppenpodest, leuchtete von da nach hinten zur Küche. Hinter ihm hörte er die Kollegen. Meter um Meter ging es weiter. In die Küche, in den Abstellraum. Als das Erdgeschoss gesichert war, kam der erste Stock dran. Doch auch oben war nichts und niemand zu finden. Nicht in Schränken, nicht in Kommoden. Alles, was sich öffnen ließ, wurde geöffnet und mit jedem Mal wich ein Stück Anspannung aus den Leibern. Die Bewegungen wurden flüssiger, der Atem regelmäßiger, die Gedanken weiter, wieder dem Leben und dem neuen Tag zugewandt, der schon vor dem Haus wartete. Nach einer langen Viertelstunde war klar – niemand war im Haus. Als Ewald Kubow und seine Kollegin mit hereinkamen, konnten sie es nicht glauben. Keiner
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