Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
Vom Netzwerk:
1631 trafen das schwedisch-sächsische und das kaiserliche Heer nördlich von Leipzig zur ersten offenen Feldschlacht aufeinander. Das Ergebnis war eine Sensation, denn die unbesiegte kaiserliche Armee wurde geschlagen und flüchtete in versprengten Scharen nach Süden. Gustav Adolf hatte sein Ziel erreicht und die katholische Bedrohung Schwedens aus dem Weg geräumt, doch statt einen Kompromißfrieden zu schließen, wuchsen mit diesem Erfolg die Ambitionen des Königs ins Unermeßliche, und er machte sich mit seinem Heer, dem sich Deutsche, Finnen, Franzosen, Holländer, Polen und Böhmen angeschlossen hatten, auf den Marsch nach Südosten und brach in das katholische Bayern ein.
    Bei Nürnberg entwickelte sich während der heißen Sommermonate ein verheerender Abnutzungskrieg, denn ein alter Feind hatte den Schauplatz des Krieges erneut betreten: Wallenstein, der einst in Ungnade gefallene Feldherr, dem vom angeschlagenen Kaiser erneut die Verteidigung des Reichs anvertraut worden war.
    |41| Wallensteins neu aufgestellte Armee wandte sich nach Sachsen und forderte den schwedischen König in einer Feldschlacht bei Lützen heraus. Der verworrene Kampf fand keinen Sieger; zwar behaupteten die Schweden das Feld und eroberten die schweren Geschütze der Kaiserlichen, doch ihr großer Führer Gustav Adolf fand den Tod, als er sich mit einer Reitertruppe, getäuscht durch den Nebel und seine Augenschwäche, in die Reihen feindlicher Kürassiere verirrte und von mehreren Musketenschüssen niedergestreckt wurde. Die protestantische Seite verlor damit einen Feldherrn, den ein mythischer Status begleitet hatte. Seine hohe Autorität hatten die protestantischen Fürsten im Krieg gegen den Kaiser zusammengehalten, auch wenn dieser
Löwe aus Mitternacht
nicht mehr vorrangig für seinen Glauben, sondern für machtpolitische Interessen gekämpft hatte. An seine Stelle trat nun der Reichskanzler Axel Oxenstierna, ein ernster, willenstarker Mann mit verblüffendem Organisationstalent, dem es unter größten Anstrengungen gelang, die nötigen Finanzmittel für eine Fortführung des Krieges aufzubringen, in den inzwischen auch das katholische Frankreich an die Seite Schwedens getreten war. Frankreich, das sich von den mächtigen Habsburgern bedroht fühlte, erklärte Spanien den Krieg und hauchte damit dem zerstörerischen, seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten schwelenden Konflikt neues Leben ein. Der religiöse Anstrich des Krieges verblaßte endgültig. Klare Blöcke existierten nicht länger. Das katholische Frankreich, dessen politische Geschicke von dem ehrgeizigen Kardinal Richelieu gelenkt wurden, kämpfte für die Sache des protestantischen Schwedens gegen die Macht des habsburgischen Kaisers, und ein Ende des Krieges rückte somit in weite Ferne.
    All diese Dinge gingen Jakob durch den Kopf, während er Wilhelm Peltzer betrachtete und aus dessen Gesicht abzulesen versuchte, ob der Bürgermeister den vergangenen Zeiten nachtrauerte, als der
Löwe aus Mitternacht
die deutschen Protestanten zusammengeführt hatte.
    |42| Der Bürgermeister machte ein mürrisches Gesicht und meinte: »Was soll das für ein Krieg sein? Man denke nur an diesen Wallenstein, dessen katholisches Heer fast ausschließlich aus Protestanten bestand.«
    Laurentz rümpfte die Nase. »Sogar der Papst hatte sich vom Kaiser und der Liga abgewandt und offen den schwedischen König unterstützt.«
    »Magdeburg hingegen wäre niemals von Tilly erobert worden, hätten nicht die protestantischen Kaufleute Hamburgs dem katholischen Heer die Munition geliefert«, fügte Peltzer an. Er schob den Teller von sich, obwohl er nur wenig gegessen hatte.
    »Habt Ihr über dieses Ungemach den Appetit verloren?« feixte Laurentz, der kurz zuvor wohl die dreifache Menge verspeist hatte.
    Peltzer hob die Schultern. »Nicht nur deshalb. Ich habe ein schwieriges Amt in dieser Stadt übernommen, Laurentz. Die schwedische Besatzung verlangt von Osnabrück schier unerfüllbare Kontributionen; das Domkapitel intrigiert beständig gegen mich, und über allem schwebt der drohende Schatten des Bischofs Franz Wilhelm, dem es nur allzu recht wäre, wenn über Osnabrück ein Strafgericht wie über Magdeburg hereinbrechen würde.« Er schnaubte verächtlich. »Das Vorhaben des Bischofs, die Stadt erneut unter seine Gewalt zu bringen, schlug zu unser aller Glück deutlich fehl. Die letztjährigen schwedischen Siege Banérs und Torstensons bei Dömitz und Kyritz hatten ihn zur Eile getrieben und

Weitere Kostenlose Bücher