Hexentage
sich trug, erlauben, auf diese Art mit ihm zu sprechen?
»Schweigt besser, oder wollt Ihr mich beschuldigen?«
»Nein, entschuldigt. Es handelte sich nur um einen Vergleich.«
Jakob dachte an das bittere Spiel, das der Teufel mit ihm trieb und daran, daß Saras Anschuldigungen nicht einmal aus der Luft gegriffen waren.
»Was wollt Ihr also von mir?« fragte er.
»Ich möchte Euch um einen Gefallen bitten. Sagt mir, was Ihr im Bucksturm gesehen habt. Anna Ameldung liegt mir sehr am Herzen. Es quält mich, daß ich nicht weiß, wie es ihr geht.«
»Darüber kann ich nicht sprechen«, erwiderte er zurückhaltend.
|78| »Ich bitte Euch darum.«
Jakob schüttelte den Kopf.
Wütend funkelte Sara ihn an. »Ihr seid ein verbohrter Feigling, Jakob Theis, der mit geblendeten Augen durch die Welt läuft. Gebraucht Euren Verstand, und hört nicht nur auf das, was andere Euch einzureden versuchen.«
Ihre Worte sprudelten so schnell und zischend hervor, daß Jakob es regelrecht mit der Angst zu tun bekam. Vielleicht war auch diese Sara Meddersheim eine Hexe, die der Satan ausgeschickt hatte, ihn endgültig auf seine Seite zu ziehen. Hatte sie ihn deshalb während der Hinrichtung so auffällig angestarrt? Langsam bekam für Jakob alles einen Sinn.
Sara schien ihren Zorn wieder im Zaum zu haben. Leiser fuhr sie fort: »Ich habe Euch an dem Tag beobachtet, als Grete Wahrhaus der Kopf abgeschlagen wurde. Sie trat an Euch vorbei, und in Euren Augen war keine Häme und kein Haß zu erkennen so wie in den Gesichtern der anderen. Ich nahm an, Ihr wäret ein guter und gerechter Mann, und hatte gehofft, Ihr würdet mich verstehen, aber vielleicht habe ich mich in Euch getäuscht.«
Jakob wurde unbehaglicher zumute. Die Männer an den Tischen um sie herum spitzten gewiß schon die Ohren und lauschten ihrem seltsamen Streit. Zunächst beschimpfte Sara ihn, und nun behauptete sie, er würde Sympathien für eine Hexe empfinden. Diese Frau wurde allmählich zu einer Gefahr.
Er kramte einige Münzen aus der Tasche, legte sie auf den Tisch und stand hastig auf.
»Ich werde jetzt gehen«, sagte er.
Sara erhob sich ebenfalls, flinker, als er es einer hochschwangeren Frau zugetraut hätte, und griff nach seiner Hand.
»Ich bitte Euch nochmals, sagt mir, in welcher Verfassung sich Anna Ameldung befindet. Ist sie krank? Braucht sie Hilfe?«
Er schüttelte Saras Hand rüde ab und trat rasch aus der Schankwirtschaft. Hörte er dort hinter sich einige Gäste lachen? |79| Jakob hatte keine Ahnung, ob sie sich über ihn lustig machten oder in ihre eigenen Gespräche verwickelt waren. Zu seinem Verdruß folgte Sara ihm.
»Bleibt stehen und redet mit mir!« rief sie ihm hinterher.
Er eilte die Straße hinunter und warf einen schnellen Blick zurück. Sara stürmte hinter ihm aus der Schänke. Er kümmerte sich nicht um sie, sondern rannte davon. Hinter sich konnte er hören, wie sie ihn verächtlich beschimpfte, doch der Sinn dieser Beleidigung blieb ihm verborgen. Es klang fremdartig, weder ein Ausdruck aus der deutschen, lateinischen oder französischen Sprache. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Fluch in einer heidnischen Hexensprache. Wurde er das Opfer eines Schadenzaubers? Womöglich verwünschte sie ihn mit einer schweren Krankheit oder ließ ein Unglück geschehen, das ihm das Leben kosten würde.
Jakob wandte sich im Laufen nochmals um. Die schwangere Frau folgte ihm noch immer, aber noch ein paar Schritte, dann würde er um eine Ecke biegen und vor ihren Augen verschwinden.
Plötzlich prallte er gegen einen massigen Körper. Jakob stolperte, fiel dann auf die Knie und riß sein Gegenüber mit sich. Im nächsten Moment erkannte er, daß er in eine Gruppe von drei schwedischen Söldnern hineingelaufen war. Der kräftige Mann, den er umgerissen hatte, brüllte einen zornigen schwedischen Fluch und stieß Jakob von sich. Schwerer Alkoholdunst schlug ihm entgegen. Er wurde von hinten gepackt und von einem der nebenstehenden Söldner auf die Beine gezogen. Der Schwede, mit dem er zusammengeprallt war, kam auf die Beine, packte ihn am Kragen und schob ihn wütend auf den dritten Söldner zu, der gackernd lachte und einen Mund voll fauliger Zahnstümpfe entblößte. Sie trieben ihren Spaß mit ihm, indem sie ihn von einem zum anderen stießen. Jakob taumelte zwischen ihnen her und handelte sich schmerzhafte Schläge auf Kopf und Schultern ein. Die Männer ließen nicht von ihm ab, und schließlich wußte |80| er sich nicht mehr
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