Hexentochter
woran liegt das?«, fragte Michael, der dieses kleine Wortgefecht genoss.
Der Kobold bleckte die Zähne und grinste ihn wild an. Mit leiser, dramatischer Stimme sagte er: »Sssie ertrinken leicht. Dasss issst der Fluch, mit dem deine Ahnen sssie belegt haben. Ertrinken.«
Michael war enttäuscht. Das irre, widerliche Ding wusste ja nicht, wovon es sprach. Falls das stimmte, wäre Holly vor drei Tagen im Meer ertrunken, als er versucht hatte, sie ins Wasser zu ziehen, oder schon vor einem Jahr, im Fluss mit ihren Eltern.
»Du sprichst von der Wasserprobe für vermeintliche Hexen«, sagte er wegwerfend. »Wenn sie oben schwimmen, sind sie schuldig. Wenn sie ertrinken, sind sie un...«
Der Kobold schüttelte ungeduldig den Kopf. »Nein, nein, sssie ertrinken nur leicht, dasss ssstimmt«, sagte der Wicht und deutete mit einem schuppigen Finger himmelwärts. »Aber ihre Liebsssten ertrinken immer. Dasss issst der Fluch, mit dem die Cahors-Hexen belegt wurden. Von einem deiner eigenen Vorfahren, wenn ich dasss sssagen darf.« Er lächelte erneut, als wollte er sich auf Michael stürzen und ihm das Gesicht vom Schädel fressen.
»Tatsächlich«, sagte Michael gedehnt.
»Tatsssächlich«, versicherte ihm der Kobold.
Ein Lächeln - ah, die zahllosen Möglichkeiten! - breitete sich auf Michael Deveraux' Gesicht aus.
Frankreich, im 13. Jahrhundert
»Eure Tochter, Madame«, verkündete der Gesandte der Deveraux mit galanter Geste. Er verbeugte sich tief über seinem ausgestellten Bein und winkte den livrierten Diener herbei, der ihn begleitete. Der andere Mann, ein einfacher Leibeigener, wie ein geschmückter Pfau im Rot und Grün der Deveraux, grinste hässlich, öffnete eine kleine Schatulle aus Ebenholz und kippte sie um.
Asche und kleine Knochensplitter rieselten auf den langen Teppich in der Großen Halle von Schloss Cahors. Wie Staubkörnchen wirbelte im letzten Zwielicht des Nachmittags herab, was von Catherines einzigem Kind übrig war. Funkelnde blaue Stäubchen - die Überreste der Essenz ihres Hexenbluts - glitzerten im Licht wie winzige Saphire oder die Tränen der Göttin selbst.
Catherine, die Hohepriesterin des Cahors-Covens, saß im förmlichen schwarzen Trauergewand, das Haar mit einem schwarzen Schleier bedeckt, auf ihrem geschnitzten hölzernen Thron. Ihre Lippen blieben steif, und sie verzog keine Miene, doch es schnürte ihr die Kehle zu. Obgleich sie wusste, dass Isabeau im Feuer umgekommen war, erschütterte sie dieser greifbare Beweis. Doch sie war eine Königin, die Tochter von Königen und Herrscherinnen; sie hatte Angehörige in den Kreuzzügen verloren, in anderen Schlachten, durch Mordanschläge und Duelle. Der Tod war ihrer Familie ebenso wenig fremd wie der Gedanke, dass man oft das eigene Fleisch und Blut opfern musste, um die ehrgeizigen Ziele der Familie zu erreichen.
An den Wänden ihrer Großen Halle hingen Schwerter, Schilder, Speere, Lanzen und Streitäxte überkreuzt, in Reihen und Kreisen angeordnet. Es gab in diesem romanischen Raum keinen Platz für Kunst an den Wänden, nur für die harte Realität ihres Lebens. Jede Stunde, jeder Tag, den das Haus Cahors überdauerte, konnte als Sieg gelten. Ohne Catherines Wachsamkeit hätten die Deveraux gewiss längst einen Weg gefunden, die Knochen sämtlicher Cahors zu Staub und Asche zu zermalmen. Wenn ihnen das gelang, würden sie ihren Triumph stolz der tief getroffenen Coventry vorführen, die somit vor der Gefahr einer unkontrollierbaren, wilden Sippe von Hexern stünde - den Deveraux.
Durch ihr Flügelfenster war immer noch der Qualm zu sehen, der aus den Ruinen von Schloss Deveraux aufstieg, Ergebnis ihres raffiniert ausgeklügelten Plans, die Hexer in ihren Betten zu verbrennen. Ihre Tochter Isabeau hatte dabei eine entscheidende Rolle gespielt und somit Jean, den Erben des Deveraux-Covens, betrogen, mit dem sie wenige Monate zuvor verheiratet worden war.
Alles wäre friedlich geblieben , wenn sie das Geheimnis des Schwarzen Feuers mit uns geteilt hätten, dachte sie zornig, während die letzten Stäubchen von Isabeaus Asche auf den Teppich niedersanken. Sie haben mich zu diesem Angriff gezwungen, und das wissen sie auch.
Ihre Vergeltung ist uns sicher, und sie wird brutal sein. Daran zweifle ich nicht.
»Wie kommt Ihr auf den Gedanken, Ihr könntet Euch auf diese Weise über meine Trauer lustig machen und dann mein Schloss lebend verlassen?«, fragte sie den Gesandten der Deveraux.
»Ehre«, entgegnete dieser
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