Hexentochter
wirklich wertvolles Versöhnungsgeschenk bringen konnte, denn sonst könnte es ihn selbst das Leben kosten.
»Da ist er«, sagte Michael und deutete auf einen Rosenbusch im Garten. Rosen blühten normalerweise nicht im November, jedenfalls nicht in Seattle, und doch leuchtete der Strauch vor roten Blüten, obwohl Rot im Mondlicht normalerweise zu Grau verblasste.
Dann erschien Fantasme, der Bussard, am Himmel und flog zu ihnen herab. Michael begrüßte ihn mit einem Lächeln, und Eli nickte ihm zu. Laurent seufzte vor Freude und streckte den Arm aus. Zu seinen Lebzeiten war Fantasme sein Gefährte bei vielen prächtigen Jagden gewesen.
Dann kam Michael zur Sache. Er holte tief Luft, fand seine Mitte, breitete die Arme aus und sprach die Erde an.
»Ich befehle dir: Erhebe dich, und diene mir«, sagte er.
Donner grollte in der Ferne, und es begann zu regnen.
Michael rührte sich nicht, sondern wiederholte die Anrufung. »Ich befehle dir: Erhebe dich, und diene mir.«
Es regnete stärker.
»Wir hätten Regenschirme mitnehmen sollen«, brummte Eli. Laurent brachte ihn mit einem scharfen Blick zum Schweigen. Doch mehr tat er nicht. Der große Fürst der Deveraux passte sich allmählich an die Wirklichkeit dieses modernen Lebens an - und dazu gehörten auch freche Ur-Urenkel.
Ein Blitz zuckte herab.
»Ich befehle dir: Erhebe dich, und diene mir.«
Der Rosenstrauch bebte, und ein unirdisches, zorniges Jaulen drang aus dem Boden darunter.
Die drei beobachteten, wie die matschige Erde unter dem Rosenstrauch in Bewegung geriet.
Ein zorniges Miauen war zu hören, gefolgt von einem leisen, drohenden Fauchen.
»Ich befehle dir: Lebe«, schloss Michael und breitete die Arme aus.
Eine einzelne Pfote schoss aus dem Matsch hervor. Dann bäumte sich die Erde auf. Im prasselnden Regen stand das tote Hexentier Hecate wackelig auf allen vier Beinen und blinzelte.
»Ich gebe dir das Leben zurück«, sagte Michael zu ihr, »welches die Hexe Holly Cathers dir genommen hat. Wirst du mir dienen?«
Hecate öffnete das Maul.
»Ich habe dich aus dem Tod befreit«, erinnerte er sie. »Wirst du mir dienen?«
Sie schauderte.
»Ich diene«, sagte sie.
Das war erledigt. Michael drehte sich im Kreis, vom Unwetter durchweicht. Der Wind heulte und kreischte, Blitze zuckten und krachten.
»Wer noch?«, rief er.
Der Regen prasselte herab, und Wolken jagten vor dem Mond vorüber. »Wer tritt in meine Dienste? Wer schließt sich meinem Zirkel an?«
»Ich diene«, erklang ein ganzer Chor.
Hecate sprang auf seinen Arm. Er streichelte sie, während überall um ihn herum Gestalten auftauchten: tote Männer und Frauen, Gnome und Geister, missgestaltete Dämonen und Wichtel, die von der Folter gezeichnet waren.
Michael verstand. All diese Geschöpfe hatten die Cahors angegriffen und waren getötet worden, oft auf grausame Weise. Die Cahors hatten ihren Feinden gegenüber niemals Erbarmen gezeigt - eine Tatsache, über die Isabeau bei ihrem so genannten »Plan«, Jean vor dem Feuertod zu retten, geflissentlich hinweggesehen hatte. Der Rachedurst jener, die seinem Aufruf folgten, war so groß, dass er sie auf Erden zurückgehalten hatte - eine Art irdisches Leben nach dem Tod, wenn man die Definition etwas lockerte.
»Wir werden sie finden«, versprach er seinen neuen Anhängern. »Und sie und ihr Zirkel werden für alles bezahlen, was je eine Cahors einem von uns angetan hat.«
»Für alles«, wiederholte der graue Totenchor. Michael lächelte sie an, und dann Laurent, der anerkennend sagte: »Bien. Gut gemacht.«
Michael entgegnete: »Ich habe geschworen, sie bis Mittsommer zu töten. Und das werde ich auch tun.«
Jer: Avalon, im Dezember
Auf Avalon ging Jer in seiner Zelle auf und ab und lauschte seiner Informantin, die ihm berichtete: »Der Cathers-Anderson-Coven ist angeblich in London. Sir William und James suchen überall nach ihnen.«
Ich darf meinen Geist nicht nach Holly ausschicken, sonst führe ich sie womöglich zu ihr, dachte Jer, bestürzt über diese Neuigkeit. Ich habe ihr doch gesagt, sie soll sich von mir fernhalten ...
Aber sie ist ja nicht meinetwegen in London. Sie sucht nach ihrer Cousine.
Darüber war er zugleich froh und enttäuscht. Doch das spielte keine Rolle.
Sie muss überleben.
Isabeau und Jean: Jenseits von Zeit und Raum
Isabeau lief mit ausgestreckten Armen auf Jean zu, doch der Hass, der sich auf seinem Gesicht spiegelte, ließ ihre Beine erlahmen. Sie sank vor ihm nieder und murmelte: »Vergib
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