Hexentochter
Kerzen brannten und auch Kräuter. Kleine Tauben hockten in ihren Käfigen und duckten sich ängstlich, als wären sie sich ihres Schicksals bewusst. Eine goldene Statue der Mondfürstin, jung, lebendig und schön, hielt in den ausgestreckten Armen die Gaben, die Catherine ihr dargebracht hatte: reifes Korn, Wein und das Herz eines prächtigen Rehbocks.
Auf dem Kopf der Statue saß stolz und aufmerksam das Falkenweibchen Pandion und beobachtete die Szene. Sie neigte den Kopf zur Seite und flatterte mit den Flügeln, so dass ihre Glöckchen bimmelten. Dann ließ sie sich nieder, um zuzusehen, wie ihre Herrin Magie wirkte.
Catherine packte eines der Täubchen und stach ihm den Athame in ihrer linken Hand durchs Herz. Das warme Blut floss über ihre Hand und auf den Kopf von Jeannette, die nach Luft schnappte, aber kein Wort sagte.
Noch zweimal übergoss Catherine sie mit Blut, dann segnete sie den Wein und gab ihn Jeannette zu trinken. Er war mit Kräutern versetzt, die die magischen Kräfte des Mädchens stärken sollten. Als Jeannettes Kopf in den Nacken fiel und ihre Augen blind zurückrollten, begann Catherine Zauber über ihr zu sprechen, stundenlang, denn sie hoffte wider alle Wahrscheinlichkeit, dass dieses junge, unerfahrene Mädchen eine geeignete Erbin und zukünftige Hohepriesterin des Cahors-Covens werden könnte.
So begann ihre Arbeit an Jeannette.
Die junge Hexe durfte das Turmzimmer fortan nicht mehr verlassen. Sie war noch nicht stark genug, um sich gegen den magischen Einfluss der Deveraux zu wehren, die gewiss auf Rache sannen. Catherines Spione hatten ihr berichtet, dass ein gewisser Paul Jeans Platz eingenommen hatte und dass er mächtig und wagemutig war... aber kein Jean de Deveraux.
Viele Monde vergingen, fast ein halbes Jahr. Jeannette verlor beinahe den Verstand, weil sie so lange im Turm eingeschlossen war. Sie begann von Visionen zu erzählen, in denen ihr die tote Isabeau erschien, deren Geist keine Ruhe fand.
Catherine freute sich sehr, als sie erfuhr, dass ihr Kind noch nicht den Weg in höhere Sphären gefunden hatte. Da Isabeaus Geist offenbar erdgebunden war, fragte sie sich, ob sie ihre Tochter wieder ins Leben zurückholen, ihre Seele vielleicht in dieses kleine Gefäß gießen konnte. Dabei war es ihr gleich, dass dies für Jeannettes eigene Seele den Tod bedeuten würde. Sie war ein Bastard, und bisher hatte sie nichts getan, was das Herz ihrer neuen Herrin für sie erwärmt hätte.
Die Schlossherrin verbrachte lange Stunden damit, Zauber zu sprechen und Runen zu legen, um Kontakt zu ihrer verstorbenen Tochter aufzunehmen. Sie brachte unzählige Opfer dar. Sie tobte, sie flehte die Göttin an... doch ihre Bitte wurde nicht erfüllt.
Schließlich wandte sie sich an Jeannette, obwohl sie es demütigend fand, dass dieses Kind etwas tun konnte, was ihr nicht gelingen wollte.
»Meine Tochter. Was raubt ihrer Seele die Ruhe?«, fragte Catherine.
»Ich... ich weiß es nicht«, antwortete Jeannette kläglich. »Ich sehe sie nur vor meinem inneren Auge und weiß, dass sie nicht glücklich ist.«
»Nicht glücklich ?« Glücklich sein war etwas, das Catherine nicht begreifen konnte. Was um alles in der Welt hatte Glück mit den Dingen zu tun, die wichtig waren? Glücklich zu sein war der falsche Trost jener, die keine Macht und kein Vermögen besaßen. So etwas gab es gar nicht, doch Herrscher und Bischöfe behaupteten es, um die Leibeigenen und Untergebenen bei Laune zu halten.
»Sie ist nicht glücklich«, wiederholte Jeannette. Und dann murmelte sie: »Und ich auch nicht. Ach, Stiefmutter, bitte, erlaubt mir endlich, diese Kammer zu verlassen!«
»Du bist noch nicht bereit«, wehrte Catherine ab.
»Doch! Oh, ich flehe Euch an! Ich bin bereit!« Jeannette fiel auf die Knie und umklammerte Catherines Beine. »Ich verliere den Verstand!«
Catherine berührte Jeannettes Scheitel und trat dann entschlossen zurück. »Geduld, Mädchen. Bald. Bald wirst du die Flügel haben, die du brauchst, um mit Pandion zu fliegen.« Sie lächelte den Vogel an, der mit einem Kreischen antwortete.
Doch bedauerlicherweise konnte Jeannette nicht warten. Vier Monde später entdeckte Catherine, dass Jeannette einen der Diener bestochen hatte, damit er ihr die Tür des Turmzimmers öffnete. Sie hatte sich aus dem Schloss geschlichen und war in den Wald geflohen, um mit den Geistern zu sprechen. Sie hatte stundenlang nackt mit ihnen getanzt, sich dann angekleidet, wieder zurückgeschlichen und so
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