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Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers

Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers

Titel: Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erzählt er es Ihnen ja, wenn er zurück ist.«
    In ihrer Stimme war ein Ton, der deutlich machte, dass sie auf keine weitere dementsprechende Frage antworten würde; und dass er es sich gefälligst gar nicht erst erdreisten solle, eine solche zu stellen. Andara nippte wieder an seinem Wein. Wieder spürte er, wie stark und schwer das Getränk war, und in seinen Gedanken meldete sich eine leise Stimme, die ihm riet, lieber nichts mehr davon zu trinken, denn es mochte sein, dass er jedes bisschen klares Denken noch brauchte, zu dem er fähig war. Trotzdem leerte er das Glas, schüttelte aber rasch den Kopf, als Miss Lugosi die Hand ausstreckte, um es wieder aufzufüllen.
    »Eine Zigarre?«, fragte sie.
    Andara verneinte. »Ich rauche nicht«, antwortete er. »Eines der wenigen Laster, die ich nicht habe.«
    »Schade«, sagte Miss Lugosi. »Ich mag den Geruch von gutem Tabak, wenn ich auch selbst nie geraucht habe. Es schickt sich nicht für eine Frau.« Sie schürzte die Lippen, aß ein winziges Stückchen von ihrem längst kalt gewordenem Fisch und sah ihn prüfend an. »Sind Sie verheiratet, Mister Andara?«
    »Ich … war es«, antwortete Andara, und obwohl er sich Mühe gab, ruhig zu klingen, musste Miss Lugosi das kaum merkliche Stocken in seinen Worten aufgefallen sein, denn sie sah plötzlich ein bisschen betroffen aus, und ihr Lächeln wirkte eindeutig entschuldigend.
    »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten«, sagte sie. »Es tut mir leid.«
    Andara winkte ab. »Schon gut«, sagte er. »Man kann nicht immer die Augen vor dem verschließen, was nun einmal geschehen ist.«
    Miss Lugosi nickte, als spräche er damit etwas aus, was auch für sie eine – wenn auch andere – große Bedeutung hatte. »Ist sie gestorben?«, fragte sie unvermittelt.
    »Vor zwei Jahren.« Er griff nun doch nach der Flasche, schenkte sich selbst nach und leerte das Glas mit einem Zug. »Es war ein Unfall. Eine Fähre geriet in Brand und sank. Meine Frau war an Bord.«
    »Das tut mir sehr leid«, murmelte Miss Lugosi. Das Bedauern in ihrer Stimme klang aufrecht. »Es muss ein schwerer Schlag für Sie gewesen sein.«
    »Das war es.« Andara lächelte schmerzlich, stand auf und schob pedantisch seinen Stuhl an den Tisch zurück. »Ich denke, ich werde mich heute früh zum Schlafen zurückziehen«, sagte er. »Die Reise war anstrengend, und ich habe einen noch anstrengenderen Tag vor mir. Gute Nacht.«
    Miss Lugosi musste genau spüren, dass dies ganz und gar nicht der Grund für seine überhastete Verabschiedung war. Aber sie besaß zumindest jetzt genug Taktgefühl, nicht weiter auf das Thema einzugehen, sondern erwiderte nur sein Kopfnicken und erhob sich ebenfalls, um das Geschirr zusammenzuräumen.
    Er ging sofort in sein Zimmer zurück. In seinem Kopf drehte sich alles, und der Wein war wohl noch stärker gewesen, als er gefürchtet hatte, denn er spürte deutlich die ersten Anzeichen eines beginnenden Schwipses: ein ganz leises, durchaus angenehmes Schwindelgefühl und eine beinahe hysterische Heiterkeit, die absurderweise neben der Bedrückung existierte, mit der ihn Miss Lugosis Frage erfüllt hatte.
    Schwer ließ er sich auf das Bett fallen, lehnte sich zurück und stand dann noch einmal auf, um die Petroleumlampe anzuzünden. Der Docht war verklemmt und ließ sich nicht herausdrehen, so dass die Flamme kaum größer als ein Kinderfingernagel blieb und fast keine nennenswerte Helligkeit verbreitete. Ganz im Gegenteil erfüllte sie das Zimmer eher mit jenem unsicheren Zwielicht, in dem das menschliche Augen beinahe weniger als bei wirklicher Dunkelheit sieht. Trotzdem widerstand Andara der Versuchung, sie wieder zu löschen oder nach Miss Lugosi zu rufen, ihm eine neue zu bringen. Seine Ausrede, müde zu sein und frühzeitig zu Bett gehen zu wollen, war nur zur Hälfte gelogen gewesen – er spürte die Anstrengungen der Reise hierher in allen Knochen. Tatsächlich hatte er sich seit Monaten nicht mehr so abgespannt und müde gefühlt wie jetzt; die Aussicht auf eine Nacht voller ungestörtem Schlaf erschien ihm geradezu paradiesisch. Und es schien nichts zu geben, was dagegen sprach: er hatte seine Verfolger – wenigstens für den Moment – zur Gänze abgeschüttelt und war in einem Haus, das vielleicht nicht seinem gewohnten Komfort entsprach, aber so sicher war, wie er unter den gegebenen Umständen nur erwarten konnte. Nichts konnte ihm passieren, wenn er sich den kleinen Luxus von neun Stunden ungestörter Ruhe

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