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Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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meine Sinne gelegt hatte. Ich schrie panikerfüllt auf, warf mich herum und versuchte ihren Körper von mir herunterzustoßen.
    Es ging nicht. Meine Hände drangen in den zerfallenden Leib ein, als bestünde er nicht mehr aus Haut und Knochen, sondern aus einer weichen, schwammigen Masse. Ihr Leib begann auseinanderzufließen, als sich Knochen und Fleisch in Sekundenschnelle in schwarzen, stinkenden Schlamm verwandelten. Ich schrie, schlug in blinder Panik um mich und bäumte mich auf wie unter Schmerzen. Schwarzer Schlamm besudelte mich, kroch in meine Kleider und klebte an meiner Haut fest.
    Ich schrie immer noch, als die Tür aufgestoßen wurde und Howard und Rowlf ins Zimmer gestürmt kamen.
     
    Das Hafenbecken war schon vor langer Zeit aufgegeben worden. Es war eines der ersten gewesen; niemand wusste jetzt mehr genau zu sagen, wer den gewaltigen Graben am Ufer der Themse einst ausgehoben und mit dem Fluss verbunden hatte, aber es war jetzt, nach einem Jahrhundert oder mehr, zu klein für die immer größer und klobiger werdenden Schiffe geworden und schließlich für den offiziellen Schifffahrtsverkehr geschlossen worden. Mit den Schiffen war auch das Leben aus seiner Umgebung gewichen. Die Lagerhallen und Schuppen, die seinen Kai säumten, standen leer und verfielen seit einem Menschenalter; von manchen standen nur noch die Grundmauern, andere waren zu Gerippen geworden, die sich im Licht der Mittagssonne wie die schwarzen Skelette bizarrer Urzeitwesen gegen den Himmel abhoben. Ein Stück abseits stand eine Kapelle; fast schon eine kleine Kirche, auch sie verlassen und leer, aber in einem noch nicht ganz so fortgeschrittenen Stadium des Zerfalls wie die übrigen Gebäude. Trotzdem hatte die Zeit ihre unbarmherzige Hand auch nach dem kleinen Gotteshaus ausgestreckt. Die Fenster waren eingeschlagen und lagen als Teppich winziger glitzernder Glassplitter auf dem gekachelten Boden des Kirchenschiffs, der hölzerne Altar und die Sitzbänke waren vermodert und zum Teil zusammengebrochen.
    Manchmal kamen noch Menschen hierher, um still für sich zu beten oder einfach Schutz vor den Unbillen des Wetters oder der Kälte der Nacht unter seinem Dach zu finden, und ab und zu, je nachdem, wie der Wind stand, bewegte sich die schwere Bronzeglocke in seinem Turm und tat einen einzelnen, mühsamen Schlag.
    Und trotzdem war das Hafenbecken nicht leer. Nicht heute, nicht an diesem einen ganz bestimmten Tag. Etwas Großes bewegte sich träge unter der ölschimmernden Oberfläche seines Wassers, glitt hierhin und dorthin, tauchte manchmal bis dicht unter den Wasserspiegel auf oder sank auf den Grund des Beckens herab, unruhig, unsicher, als suche es etwas.
    Es war der Tod, der Schrecken aus einer Zeit, die seit Millionen Jahren vergangen war, lange, bevor sich der erste Halbaffe auf die Hinterläufe erhob, seine Vorderpfoten betrachtete und beschloss, sie fortan Hände und sich selbst Mensch zu nennen. Er war aus seinem Versteck weit im Norden des Landes hervorgebrochen, war die Themse heruntergeschwommen und hatte zweimal getötet, nicht aus Hunger oder Furcht, sondern aus purer Zerstörungswut, und schließlich hatte er London erreicht. Den Ort, zu dem er gerufen worden war.
    Jetzt wartete er. Sein vernunftloses Hirn registrierte das Verstreichen der Zeit kaum. Sein Opfer würde kommen, ob jetzt, morgen oder in einem Jahr, spielte keine Rolle.
    Er hatte fünfhundert Millionen Jahre gewartet – was machten da ein paar Stunden?
     
    »Hier«, sagte Howard. »Trink das, Junge. Es schmeckt scheußlich, aber es wird dir gut tun.« Mit einem aufmunternden Lächeln hielt er mir ein Glas mit einer farblosen, dampfenden Flüssigkeit hin.
    Ich sah ihn einen Moment zweifelnd an, grub aber dann gehorsam meine Hand unter der Decke aus, die Rowlf mir über die Schulter geworfen hatte, ergriff das Glas und leerte es mit einem einzigen, entschlossenen Zug. Howard hatte recht – in beiden Fällen. Die Flüssigkeit schmeckte ekelhaft, aber die Wärme vertrieb den krampfartigen Schmerz aus meinem Magen, und nach wenigen Sekunden fühlte ich eine wohlige Entspannung, die meine Glieder schwer werden ließ und die Furcht, die mich noch immer gepackt hatte, ein wenig milderte. Dankbar reichte ich ihm das Glas zurück, zog die Decke wieder enger um die Schultern und rutschte auf meinem Stuhl ein Stück näher ans Feuer heran. Wir waren wieder in der Bibliothek: Howard, Rowlf, Priscylla und ich. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit

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