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Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ich vor einem halben Jahr meinen Vater wieder gefunden hatte – ohne dies indes damals schon zu ahnen – hatte sich ohnehin viel in meinem Leben geändert. Wenn nicht alles.
    Ich kam nicht dazu, die Bände genauer in Augenschein zu nehmen. Ich war kaum an das Regal herangetreten und hatte einen der Bände zur Hand genommen, als die Tür hinter meinem Rücken erneut geöffnet wurde und ich Schritte hörte. Mit einer fast schuldbewussten Bewegung wandte ich mich um und sah dem Neuankömmling entgegen.
    Es war ein Mann. Er mochte etwa vierzig Jahre alt sein – vielleicht etwas jünger – war schlank und hatte ein schmales, beinahe asketisch geschnittenes Gesicht. Sein Haaransatz war im Laufe der Jahre vor dem Ansturm zweier mächtiger Geheimratsecken zurückgewichen, und auf seinen Wangen lagen Schatten, als hätte er eine schwere Krankheit hinter sich. Sein Mund war klein und spitz, und er hatte schlanke, nervöse Hände, die niemals wirklich ruhig zu sein schienen.
    Sekundenlang musterten wir uns gegenseitig, und das Ergebnis unserer Betrachtungen schien uns beiden nicht zu gefallen.
    Howard war schließlich der erste, der das Schweigen brach. Er räusperte sich, drückte die Tür hinter sich mit einer heftigen, fast übertrieben schnellen Geste ins Schloss und kam mit raschen Schritten auf mich zu. Später sollte ich noch merken, dass alles, was er tat, schnell und übertrieben heftig geschah. Jetzt verwirrte mich seine scheinbar sinnlose Hast.
    Zwei Schritte vor mir blieb er stehen, musterte mich noch einmal und deutete mit einer knappen Geste auf den Tisch, an dem ich zuvor schon gesessen hatte. »Nehmen Sie Platz, junger Mann«, sagte er abgehackt. »Es redet sich besser im Sitzen.«
    Ich wollte widersprechen, aber irgend etwas hielt mich davon ab. Howard war auf schwer zu beschreibende Art wie das Haus, in dem er lebte: unheimlich und düster.
    »Rowlf sagte mir, Sie hätten den Namen meines alten Freundes Roderick Andara erwähnt«, begann Howard, nachdem er sein Glas herumgedreht und sich eingeschenkt hatte, ohne allerdings zu trinken.
    »Rowlf?«
    »Mein dienstbarer Geist, ja«, nickte Howard. »Er führt das Haus, holt ein, wimmelt lästige Besucher ab« – er lächelte flüchtig, wobei seine Augen jedoch völlig kalt blieben – »und tut auch sonst alles für mich. Ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne ihn täte.« Er seufzte, lehnte sich zurück und starrte mich durchdringend an. »Aber wir kommen vom Thema ab, Mister … wie war doch gleich Ihr Name?«
    »Craven«, antwortete ich. »Robert Craven.«
    »Craven? Robert Craven?« Die Art, in der Howard meinen Namen aussprach, sagte mir mit aller Deutlichkeit, dass er ihn hier und jetzt nicht zum ersten Mal hörte.
    Ich nickte. »Ich sehe, mein Vater hat Ihnen schon von mir erzählt«, sagte ich. »Das erleichtert die Angelegenheit erheblich.«
    Howard nickte. Von seiner kühlen, herablassenden Art war nichts mehr geblieben. Er wirkte verstört; ein Mann, der gründlich aus dem Konzept gebracht worden war und jetzt nicht wusste, wie er reagieren sollte. »Sie wissen, dass … dass Andara Ihr Vater ist?«
    »Ich weiß es. Und ich weiß auch, dass man ihn drüben in den Staaten den Hexer nannte.«
    In seinen Augen blitzte es auf. »Nannte? Wie meinen Sie das?«
    Diesmal dauerte es einen Moment, bevor ich antwortete. Es war fast sieben Wochen her, und ich war bisher der Meinung gewesen, darüber hinweg zu sein, aber so ganz stimmte das nicht. Meine Stimme bebte, als ich – ohne ihn anzusehen – antwortete.
    »Mein Vater ist … ist tot, Mister Howard. Er starb auf der Überfahrt von den Vereinigten Staaten hierher, und seine letzten Worte waren: Geh zu Howard. Es war nicht leicht, Sie zu finden.«
    »Tot?« Howard wirkte erschüttert. »Er ist tot, sagst du?«
    Ich nickte. Einen kleinen Moment lang war ich ernsthaft in Versuchung, ihm von meiner Begegnung mit seinem … ja, was eigentlich? Seinem Geist? zu erzählen, tat es aber dann doch nicht. Jetzt, als alles vorbei war, kam mir die Erinnerung daran immer unwirklicher vor. Und ich wusste von Howard nicht viel mehr als seinen Namen. Die Erfahrung hatte mich gelehrt, Fremden gegenüber vorsichtig zu sein, und so beließ ich es bei diesem stummen Nicken.
    »Wie … ist er gestorben?«, fragte Howard.
    »Das ist eine lange Geschichte«, antwortete ich ausweichend. »Und ich weiß nicht, ob -«
    »Ob du Sie mir erzählen, kannst?« Howard lächelte, wurde aber sofort wieder ernst. »Du kannst es, Junge.

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