Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns
etwas noch nie erlebt.«
»Vielleicht hörst du da oben auf zu reden und kommst runter, um mir zu helfen«, mischte sich Howard in unser Gespräch. Ich fuhr schuldbewusst zusammen, bedankte mich mit einem flüchtigen Lächeln bei Miss Winden und sprang wieder vom Wagen, um Howard zu Hilfe zu eilen.
Er hatte kaum Fortschritte gemacht. Dutzende der dünnen braunen und schwarzen Ranken waren zerrissen und zerschnitten, aber im Vergleich zu der Masse, die sich fast bis zur Höhe der Achse um die Speichen rankte, war es ein Nichts.
»Es ist zum Verzweifeln«, murrte Howard. Er keuchte vor Anstrengung. »Man könnte glauben, das Zeug wächst nach. Wir brauchen ein größeres Messer oder irgendein anderes Werkzeug. Mit dem Ding hier -«
»Jemand kommt«, sagte Miss Winden vom Wagen aus.
Howard brach mitten im Wort ab, fuhr mit einer erschrockenen Bewegung hoch und starrte nach Westen, die Straße entlang.
Durch das Prasseln des Regens drang heller, mehrfach gebrochener Hufschlag herüber. Ich wollte etwas sagen, aber Howard schnitt mir mit einer hastigen Bewegung das Wort ab, rieb sich die Hände an den Hosen sauber und trat einen Schritt auf die Straße hinaus.
Aus der Nacht tauchten zwei Reiter auf. Sie saßen, tief über die Hälse ihrer Pferde gebeugt und in schwarzglänzende Ölmäntel gehüllt, in den Sätteln und zügelten ihre Tiere erst im letzten Moment, als ich schon fast befürchtete, sie würden Howard glattweg über den Haufen reiten.
»Guten Abend, die Herren«, sagte Howard, ehe einer von ihnen das Wort ergreifen konnte. Ich bewunderte ihn im Stillen für die Selbstbeherrschung, die er an den Tag legte. Die Reiter kamen aus Durness. Ich selbst war im Moment heilfroh, im Schatten des Wagens zu stehen. Meine Nerven waren nicht halb so gut wie die Howards.
»Sie schickt der Himmel«, fuhr er fort. »Ich fürchte, uns ist ein kleines Missgeschick passiert.«
Einer der beiden Reiter musterte ihn mit einer Mischung aus Misstrauen und schlecht verhohlener Herablassung. »Missgeschick, so«, wiederholte er. »Sieht eher so aus, als säße Ihr Karren fest.« Er lachte leise, schwang sich aus dem Sattel und gab seinem Begleiter ein Zeichen, es ihm gleich zu tun. »Was ist passiert?«, fragte er, nachdem sie beide von den Rücken ihrer Tiere gestiegen waren. »Ist die Achse gebrochen?«
Howard schüttelte den Kopf. »Nein. Wir sitzen in irgendeinem Wurzelzeug fest. Ich fürchte, aus eigener Kraft kommen wir nicht weiter.«
Der Reiter maß ihn mit einem Grinsen, das deutlich machte, wie sonderbar ihm das Wort »Kraft« aus Howards Mund vorkommen musste. Selbst in dem weit geschnittenen Gehrock wirkte Howards Gestalt noch immer mädchenhaft zart und zerbrechlich. Mir selbst war der Anblick schon so vertraut geworden, dass ich mir nichts mehr dabei dachte. Jemandem, der Howard zum ersten Mal sah, musste seine zerbrechliche Statur dagegen direkt ins Auge fallen. »Dann wollen wir mal sehen«, sagte er und schob Howard kurzerhand aus dem Weg. Wortlos ließ er sich vor dem Rad in die Hocke sinken, rüttelte einen Moment prüfend mit den Händen an den Speichen und kratzte sich am Bart. »Teufel auch«, murmelte er. »Wie haben Sie das geschafft?«
»Ich wollte, ich wüsste es«, antwortete ich. »Der Regen muss den Boden vollkommen ausgewaschen haben. Ich hoffe nur, dass es nicht noch schlimmer wird.«
Der Fremde sah auf und blickte mir einen Moment lang prüfend ins Gesicht. Mein Herz begann schneller zu schlagen, aber ich gab mir Mühe, äußerlich so gelassen wie möglich zu erscheinen. Selbst wenn er mich in Durness gesehen hatte, würde er mich kaum wiedererkennen. Ich hatte den Hut zum Schutz vor dem Regen so weit in die Stirn gezogen, dass von meinem Gesicht ohnehin kaum etwas zu erkennen war.
»Was suchen Sie überhaupt hier, nachts und bei dem Hundewetter?«, fragte er.
Howard warf mir einen raschen, warnenden Blick zu, und ich spürte ohne hinzusehen, wie sich Miss Winden über mir auf dem Kutschbock spannte. Der Mann musste schon blind sein, wenn er Rowlfs reglos ausgestreckte Gestalt auf der Bank nicht sehen sollte.
»Wir kommen aus Durness«, sagte Howard hastig. »Unser Freund ist verletzt. Er muss zum Arzt.«
Der Reiter beugte sich neugierig vor und verzog die Lippen, als er Rowlfs verbranntes Gesicht sah. »O Scheiße«, entfuhr es ihm. »Der Brand am Hafen?«
Howard nickte. »Wir wollten beim Löschen helfen«, sagte er, »aber ich fürchte, wir haben uns nicht sehr geschickt
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