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Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Der Weg war kaum breit genug, dem zweispännigen Gefährt Platz zu bieten und die Blätter und Zweige des Unterholzes wuchsen beiderseits so dicht an die Fahrspur heran, dass ich nur die Hand hätte auszustrecken brauchen, um sie zu berühren, und die tiefhängenden Äste der Bäume zwangen uns immer wieder dazu, die Köpfe einzuziehen, um uns nicht die Gesichter von Zweigen und Blattwerk zerkratzen zu lassen.
    Einen Moment lang lauschte ich auf das Geräusch der Hufe und Räder und was ich hörte, gefiel mir nicht. Es war zu dunkel, um den Boden, über den wir fuhren, zu sehen, aber ich hörte deutlich, wie sich die Räder durch mindestens knöcheltiefen Matsch quälten. Die Hufschläge der Pferde klangen gedämpft und feucht und wenn sie die Beine hoben, gab es kleine, saugende Laute. Selbst wenn wir nicht in irgendeinem jäh aufklaffenden Schlammloch stecken blieben, würden die Tiere bald erschöpft sein.
    Schweigend fuhren wir weiter. Der Regen ließ ein wenig nach und auch die Kälte war hier im Wald weniger quälend und unerträglich. Trotzdem zitterten wir alle am ganzen Leib, und die Dunkelheit und die formlosen schwarzen Schatten, zu denen sich Bäume und Gebüsch beiderseits des Weges zusammenballten, erfüllten mich mit einem vagen Gefühl von Furcht, das ich mir nicht erklären konnte. Ich ertappte mich immer öfter dabei, über die Schulter zurückzublicken als erwartete ich, die Verfolger bereits hinter uns auftauchen zu sehen.
    »Glaubst du wirklich, dass sie uns verfolgen werden?«, fragte ich.
    Howard nickte trübsinnig. »Darauf kannst du Gift nehmen, Robert«, sagte er. »Vielleicht hätten sie es nicht getan, wenn das Feuer nicht gewesen wäre. Aber so …« Er schüttelte den Kopf, hielt die Zügel für einen Moment mit nur einer Hand und versuchte sich mit der anderen eine Zigarre anzuzünden. Ich sah ihm einen Moment lang dabei zu, dann riss ich ein Streichholz an und hielt es unter das Ende seines Glimmstängels. Er nickte und blies mir zum Dank eine blaugraue, stinkende Qualmwolke ins Gesicht.
    »Fahren Sie etwas langsamer«, sagte Miss Winden. »Es ist nicht mehr weit bis zur Abzweigung nach Bettyhill.«
    Die Abzweigung nach Bettyhill … Verdammt, irgendwo hatte ich diese Worte schon gehört, aber ich konnte mich einfach nicht erinnern, wo und in welchem Zusammenhang.
    Howard verlangsamte das Tempo der Pferde und starrte aus eng zusammengepressten Augen in die Dunkelheit hinein. Der Wagen begann stärker zu schlingern, und ein paarmal krachten die Räder so hart in Löcher und Erdspalten, dass ich Angst hatte, sie würden zerbrechen. Aber sie hielten wie durch ein Wunder.
    Plötzlich zog Howard an den Zügeln, so heftig, dass sich eines der Pferde erschrocken aufbäumte und der Wagen wie unter einem Schlag erbebte.
    »Was ist los?«, fragte ich erschrocken.
    Statt einer Antwort deutete Howard in die Dunkelheit. Ich starrte angestrengt in die Richtung, in die seine Hand wies, konnte aber nichts Außergewöhnliches entdecken. »Ich sehe nichts«, sagte ich.
    Howard nickte. »Eben.«
    Im ersten Moment verstand ich nicht. Aber dann …
    Vor uns war Dunkelheit, nichts als rabenschwarze, massive Dunkelheit. Keine Schatten mehr. Kein Unterholz mehr, keine Äste, keine Ranken und Zweige, nicht einmal mehr die tief hängenden Äste der Bäume, die uns bisher in die Gesichter gepeitscht hatten.
    »Mein Gott, was ist das?«, entfuhr es Miss Winden. Howard biss sich nachdenklich auf die Unterlippe, zuckte mit den Achseln und reichte ihr die Zügel. »Ich werde nachsehen«, sagte er. »Sie bleiben hier.«
    Er stieg vom Wagen und wartete, bis ich ihm gefolgt war. Die Stille fiel mir auf. Der Regen prasselte weiter monoton auf das Blätterdach hoch über unseren Köpfen, aber sonst war es vollkommen still; selbst für eine verregnete Nacht im dichten Wald zu still, wie ich fand. Aber vielleicht war ich auch nur überreizt. Nach allem, was in den letzten Tagen passiert war, war es eigentlich kein Wunder, wenn ich anfing, Gespenster zu sehen.
    Ich verfluchte den Umstand, dass wir keine Lampe bei uns hatten, während ich langsam neben Howard herging. Die Pferde waren noch nervöser geworden und stampften unruhig im Schlamm.
    Nach ein paar Schritten blieb Howard abermals stehen und deutete stumm nach vorne. Trotz des praktisch nicht vorhandenen Lichtes sah ich, was er meinte.
    Vor uns, nur wenige Schritte rechts des Weges, erhob sich eine Gruppe von drei Bäumen, die durch eine Laune der Natur so dicht

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