Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
versank immer noch weiter. Der Regen musste den Boden metertief aufgeweicht haben.
    Miss Winden half mir die Pferde auszuspannen und die Schirrriemen zu improvisierten Zügeln zusammenzuknoten, während Howard und McMudock sich bemühten, Rowlf aus dem Wagen zu heben, ohne ihm dabei mehr Schmerzen zuzufügen, als unumgänglich war. Es dauerte fast zehn Minuten, bis wir ihn auf den Rücken eines der beiden Pferde gelegt und so festgebunden hatten, dass er nicht herunterfallen konnte. Anschließend halfen wir Miss Winden, auf den Rücken des zweiten Tieres zu steigen.
    Kurz bevor wir losgingen, sah ich noch einmal zurück. Der Wagen war weiter im Morast versunken; der braune Schlamm begann bereits über seinen Rand zu schwappen und kleine ölige Pfützen auf seinem Boden zu bilden. Es war ein bizarrer Anblick. Unter unseren Füßen war massives Erdreich, aber der Wagen sank wie ein leckgeschlagenes Boot. Fast, als würde er vom Boden aufgefressen.
     
    Das Ding hatte weiter an Masse verloren und war jetzt kaum mehr größer als ein Ball, nicht viel mehr als eine schwarze knotige Verdickung im Zentrum des gigantischen unterirdischen Netzes, in das sich sein Körper verwandelt hatte. Das Gewebe durchzog den Boden des Waldes auf Meilen und Meilen, unsichtbar, aber immer noch weiter wachsend und immer feinere Verästelungen ausbildend, Fühler und Tastärmchen, hundert Mal feiner als ein menschliches Haar.
    Dann geschah etwas. Es wusste nicht, was, denn seine künstlich geschaffene Intelligenz reichte nicht aus, Schlüsse zu ziehen und aus Sinneseindrücken zu folgern. Es spürte nur, dass irgendetwas geschah, eine neue Komponente in sein eng begrenztes Universum trat und sich tief in seinem Inneren irgendetwas wie zur Antwort darauf rührte.
    Es hörte auf zu wachsen. Für eine Weile tat es gar nichts, lag nur bewegungslos da und wartete, dass das genetische Programm, das seine Schöpfer in seine Zellen gepflanzt hatten, in Aktion trat und ihm sagte, was als nächstes zu tun war.
    Es spürte nicht einmal, als es soweit war. In dem dumpfen Kosmos aus primitiven Instinkten, die kaum über Empfindungen wie Hunger und Schmerz hinausreichten, änderte sich nichts. Und doch hatte es sich gewandelt. Vorher war es nicht viel mehr als ein Parasit gewesen, ein schmarotzendes Ding, das nichts weiter als Gier und das Bedürfnis kannte, sich auszubreiten und zu wachsen.
    Jetzt war es ein Killer.
     
    Das Haus stand am Rande einer kleinen, sauber wie mit einem Zirkel gezogenen Lichtung, und hätte McMudock mich nicht mit einer Geste darauf aufmerksam gemacht, dann wären wir vermutlich in wenigen Schritten Abstand daran vorübergelaufen, ohne es überhaupt zu bemerken.
    Eigentlich war es nur noch eine Ruine – ein Teil des Daches war eingesunken, als wären die Balken aufgeweicht und hätten nicht mehr die nötige Stabilität, das Gewicht der zerborstenen Schindeln zu tragen, und die meisten Fenster waren nicht mehr als schwarze Löcher, aus denen das Glas schon lange verschwunden war. Und trotzdem erschien mir die verfallene Ruine in diesem Augenblick wie ein Stück des Paradieses. Wenigstens würden wir ein Dach über dem Kopf haben; und eine Wand zwischen uns und dem eisigen Wind.
    »Auf der Rückseite ist ein Schuppen«, sagte McMudock, als wir vor dem Haus angehalten und Rowlf vorsichtig vom Rücken des Pferdes gehoben hatten. »Sie können die Pferde dort unterstellen.« Er blickte zum Wald hinüber. »Machen Sie die Tür sorgfältig zu«, sagte er. »Die Biester hauen uns sonst glatt ab. Ich möchte nur wissen, was sie so nervös macht.«
    Ich sah, wie Howard bei diesen Worten wie unter einem Hieb zusammenfuhr, zog es aber vor so zu tun, als hätte ich nichts bemerkt. McMudock eilte voraus, während wir Rowlf ächzend zum Haus trugen. Ich hörte ihn die Tür öffnen und eine Weile im Dunkeln hantieren, dann glomm drinnen ein blasses gelbes Licht auf. »Ich wusste doch, dass hier noch irgendwo eine Lampe steht«, drang seine Stimme aus dem Haus. »Passen Sie an der Tür auf. Auf dem Boden liegt allerhand Zeug.«
    Allerhand Zeug war ziemlich untertrieben. Die Tür führte nicht in einen Korridor, sondern direkt in einen überraschend weitläufigen Raum, von dessen Rückseite aus eine Treppe und zwei schräg in den Angeln hängende Türen weiter ins Innere des Gebäudes führten, und der Boden war derartig mit Gerümpel und Trümmern übersät, dass man kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte, ohne auf irgendetwas zu treten

Weitere Kostenlose Bücher