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Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht weglaufen. Wir brauchen ihn.« Ein sanftes, kaum merkliches Zittern lief durch das Holz unter mir und ich spürte, wie sich der Wagen leicht auf die Seite legte, als versänke er immer noch weiter im Boden. Ich vertrieb den Gedanken und nickte Howard auffordernd zu.
    Howard zögerte noch immer. Sekundenlang blickte er den hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mann nachdenklich an, dann lehnte er Rowlfs schlaffen Körper behutsam zurück, zog sein Taschenmesser und knibbelte mit vor Kälte steifen Fingern die Klinge heraus.
    »Wie heißen Sie?«, fragte er.
    »McMudock«, antwortete unser Gefangener. »Lon McMudock.«
    Howard sah ihn prüfend an. Man konnte direkt sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Es sprach eine Menge dagegen, McMudock loszuschneiden. Immerhin hatte sein Kamerad versucht, mir mit der Axt einen zweiten Scheitel zu ziehen, und immerhin gehörte er zu den Leuten, die noch vor Tagesfrist darangegangen waren, uns alle drei bei lebendigem Leibe gleichzeitig zu verbrennen und zu ersäufen. Aber das, was vor uns lag, war kein gemütlicher Waldspaziergang. Wir konnten uns einfach nicht noch mit einem Gefangenen belasten. Aber wir konnten ihn auch nicht zurücklassen. Nicht nach dem, was wir vor wenigen Augenblicken gesehen hatten.
    »Okay, Mister McMudock«, begann er. »Geben Sie mir Ihr Ehrenwort, nicht zu fliehen? Und auch nicht zu schreien, falls Ihre Freunde auftauchen sollten? Wir lassen Sie laufen, sobald wir in Sicherheit sind, aber bis dahin …«
    McMudock nickte. »Ich verspreche es. Ich halte mein Wort, keine Sorge – fragen Sie Mary, wenn Sie mir nicht glauben.«
    »Mary?«
    »Er meint mich, Howard«, sagte Miss Winden. »Sie können ihm trauen. Ich kenne ihn. Er ist zwar ein Säufer und Raufbold, aber er hält sein Wort.«
    Howard seufzte hörbar. »Nun gut«, sagte er. »Ich habe wohl keine andere Wahl.«
    »Nicht wenn Sie die Nacht überleben wollen«, sagte McMudock und streckte ihm die gefesselten Hände entgegen.
    Howard funkelte ihn an. »Wie meinen Sie das?«
    McMudock grinste und deutete mit einer Kopfbewegung auf seine aneinander gebundenen Handgelenke. »Schneiden Sie den Strick durch und ich sage es Ihnen«, verlangte er.
    Howard presste die Lippen aufeinander, schnitt das Seil durch und klappte das Messer mit einer wütenden Bewegung zusammen. »Also?«
    »Heute Nacht kommen Sie nicht weiter«, sagte McMudock. Er bewegte die Arme, verzog das Gesicht und begann seine schmerzenden Handgelenke zu massieren. »Nicht bei diesem Wetter und mit einer Frau und einem Verwundeten. Es sind mindestens drei Stunden bis Bettyhill, bei normalem Wetter. Bei dieser Dunkelheit und dem verfluchten Regen würden Sie bis Sonnenaufgang brauchen. Ganz davon abgesehen«, fügte er mit einem boshaften Lächeln hinzu, »dass Sie sich nach den ersten hundert Schritten hoffnungslos verirrt hätten. Sie bringen Ihren Freund um, wenn Sie es riskieren.«
    »Und was schlagen Sie vor?«
    »Es gibt ein verlassenes Jagdhaus, nicht sehr weit von hier«, antwortete McMudock. »Wir können in einer halben Stunde dort sein. Nicht gerade ein Palast, aber wenigstens hätten wir ein Dach über dem Kopf und könnten abwarten, bis es hell ist.«
    Zwischen Howards Brauen entstand eine steile Falte. »Ein verlassenes Jagdhaus, wie?«, wiederholte er. »Für wie dumm halten Sie mich, McMudock? An einem Ort wie diesem würden uns ihre Freunde doch zuallererst suchen.«
    »Kaum«, antwortete McMudock. »Es gibt nicht viele, die die Hütte überhaupt kennen. Und selbst wenn, könnten sie kaum vor Sonnenaufgang dort sein.«
    »Wir müssen es riskieren«, sagte ich. »Rowlf hält eine Nacht im Sattel nicht durch.« Wieder lief ein sanftes Zittern durch den Wagen und ich spürte, wie das Gefährt ein Stück tiefer einsank, als säßen wir nicht im Schlamm, sondern in Treibsand fest.
    »Gut«, sagte Howard schließlich. »Riskieren wir es. Aber ich warne Sie, McMudock. Wenn Sie uns hintergehen …«
    »Sie haben mein Wort«, unterbrach ihn McMudock scharf. Howard blickte ihn trotzig an, dann nickte er, stand auf und beugte sich über Rowlf.
    »Helfen Sie mir«, verlangte er. »Und du, Robert, spannst die Pferde aus. Aber gib Acht, dass sie dir nicht durchgehen.«
    Der Wagen schaukelte wie ein leckgeschlagenes Boot, als ich behutsam vom Bock stieg und durch den wadentiefen Schlamm zu den Pferden ging. Der hintere Teil des Wagens lag jetzt auf dem Boden auf und die Räder waren bis weit über die Achsen verschwunden, aber er
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