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Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nebeneinander gewachsen waren, dass sich allenfalls ein besonders schlankes Kind zwischen ihren Stämmen hätte hindurchzwängen können. Ihre Äste waren so dicht ineinander verwachsen, dass sie wie eine einzige, gewaltige Krone wirkten – von einer Höhe von ungefähr acht Yard aufwärts, hieß das.
    Darunter waren sie kahl. Vollkommen kahl.
    »Zum Teufel, was bedeutet das?«, murmelte ich. Ohne auf Howard zu warten, ging ich los. Meine Schritte erzeugten patschende Geräusche auf dem Boden. Ich spürte, wie ich bis über die Knöchel im Morast versank, und als ich den Blick senkte, sah ich, dass es praktisch keinen Unterschied mehr zwischen dem Weg und dem Waldboden gab. Die Linie, an der die ausgefahrene Spur endete und der eigentliche Wald begann, war verschwunden. Es gab nicht nur kein Unterholz mehr, sondern nur noch nacktes braunes Erdreich, bar aller heruntergefallenen Zweigen und Blattwerk und Holz und den tausend anderen Dingen, die normalerweise den Waldboden bedeckten und die Schritte dämpften.
    »Schau dir die Bäume an«, murmelte Howard. Seine Stimme bebte. Er war neben mich getreten und hatte die Hand nach einem der Stämme ausgestreckt, ihn aber nicht berührt.
    Ein eisiger Schauer lief über meinen Rücken, als ich die Baumstämme aus nächster Nähe erblickte. Sie waren glatt. Vollkommen glatt. Bis in eine Höhe von sieben oder acht Yard waren Äste und Rinde verschwunden, und jemand – oder etwas – hatte das Holz darunter so gründlich glatt geschliffen, dass es glänzte. Zögernd streckte ich die Hand aus und berührte einen der Stämme mit den Fingerspitzen. Er fühlte sich an, als wäre er poliert worden.
    »Mein Gott, was ist das?«, murmelte ich. Mein Blick suchte andere Bäume, Büsche, Äste – irgendetwas Natürliches, Lebendes, aber ich sah nichts außer den blankpolierten Stämmen der Bäume, die sich wie die Stützpfeiler einer Kathedrale rings um uns erhoben.
    Nicht nur diese drei Bäume waren kahl. Nachdem wir den ersten Schrecken überwunden hatten, untersuchten wir die nähere Umgebung, und es stellte sich rasch heraus, dass – was immer diese Verheerung angerichtet hatte – es einen regelrechten Tunnel durch den Wald gefressen hatte, einen schnurgeraden, in der Mitte acht Yard hohen, halbkreisförmigen Tunnel von gut zwanzig Yards Durchmesser, der von Nord nach Süd verlief und sich in beiden Richtungen in der Dunkelheit verlor.
    Und nirgendwo war auch nur das geringste Anzeichen von Leben irgendwelcher Art zu sehen. Nicht einmal alle Bäume waren stehen geblieben, wie die großen Lücken im Blätterdach bewiesen, und als sich meine Augen an das schwache Sternenlicht, das auf die künstlich geschaffene Lichtung fiel, gewöhnt hatten, bot sich mir ein bizarrer Anblick: Hier und da war eine Baumkrone im Blätterdach des Waldes hängen geblieben, gehalten von den benachbarten Zweigen, die sich in ihr Geäst verkrallt hatten; der Stamm war unterhalb der imaginären Linie von acht Yard Höhe verschwunden. Andere wiederum boten sich uns als kaum armdicke Pfeiler dar und wuchsen oberhalb der Vernichtungslinie zu mannsstarken Stämmen heran. Es war ein fast absurdes Bild. Und ein Bild, das mich mit einer ungeheuren Furcht erfüllte.
    »Was ist hier geschehen?«, flüsterte ich entsetzt. »Mein Gott, Howard – welche Macht kann so etwas anrichten?«
    »Ich weiß es nicht«, murmelte Howard. Seine Stimme klang flach und gepresst und so, als beherrsche er sich nur noch mit äußerster Mühe. »Ich weiß nur, dass ich dem, der dafür verantwortlich ist, nicht über den Weg laufen möchte.« Er seufzte, ließ sich in die Hocke sinken und grub im Boden. Als er die Hand hob, floss das feuchte Erdreich wie dunkelbrauner Schleim durch seine Finger.
    »Tot«, murmelte er. »Die Erde ist tot, Robert. Hier lebt nichts mehr. Absolut nichts.«
    »Doch«, widersprach ich leise. »Etwas lebt noch, Howard. Das Ding, das für das hier verantwortlich ist.«
    Howard blickte mich einen Moment lang aus Schreck geweiteten Augen an, dann stand er auf, rieb sich die Hand an der Hose trocken und blickte nach Norden. »Es ist zum Meer hin gekrochen.«
    »Oder daraus gekommen.«
    Er antwortete nicht, aber wahrscheinlich dachten wir in diesem Moment ohnehin an das Gleiche. Er hatte das Bild so deutlich gesehen wie ich: die monströsen, verzerrten Schatten, die aus dem Dimensionsriss gequollen waren wie eiteriger, schwarzer Ausfluss aus einer Wunde und im Meer verschwunden waren …
    »Gehen wir«, sagte er

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