Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
Nebelschwaden ein.
Wieder durchstreifte mein Blick den Raum und wieder bemerkte ich hier und da Linien und Winkel, die nicht stimmten, und an der Wand …
… den Schatten!
Der Anblick traf mich so überraschend, dass ich wie gegen eine unsichtbare Mauer geprallt stehen blieb und einen krächzenden Schrei ausstieß. Durch eines der Fenster fiel blasses Sonnenlicht herein, gerade kraftvoll genug, meinen und Howards Schatten auf die gegenüberliegende Wand zu werfen.
Und Howards Schatten war nicht der eines Menschen!
Howard fuhr herum, als er meinen Schrei hörte, sah mich eine halbe Sekunde verwirrt an, drehte mit einem Ruck den Kopf – und erstarrte ebenfalls, als er das groteske, tentakelschwingende Ding sah, was dort wogte, wo sein eigener Schatten neben meinem sein sollte.
Dann, so schnell, wie er gekommen war, verschwand der Schatten. Plötzlich waren wieder zwei ganz normale menschliche Schattenbilder an der Wand, aber etwas von der Kälte und Fremdartigkeit der Bestie schien zurückzubleiben.
Und plötzlich fror ich.
Ich hatte den Schatten an der Wand erkannt.
Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn sah. Ich hatte sogar das Wesen, zu dem dieser Schatten gehörte, schon einmal gesehen und ich hatte seine schwarze Seele in der meinen gespürt. Die weiße Haarsträhne über meinem rechten Auge war nur das äußere Zeichen meiner Begegnung mit einem dieser namenlosen Dämonen, die in Ermangelung einer anderen Bezeichnung die GROSSEN ALTEN genannt wurden.
»Mein Gott, Robert«, murmelte Howard. »Was … was geschieht hier? Was geschieht mit diesem Haus?«
Diesmal antwortete ich nicht darauf. Aber die Kälte schien zuzunehmen.
Plötzlich hatte ich es sehr eilig, den Keller zu verlassen.
Es war sehr still in dem feuchten Kellergewölbe geworden. Keiner der neun Männer wagte es, auch nur einen Laut von sich zu geben, und selbst das Heulen des Windes, das von draußen hereindrang, schien gedämpft.
Langsam richtete sich der alte Mann auf. Seine Hand umspannte den Dolch so fest, als wolle er die Klinge aus weißem Elfenbein zermalmen, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Härte und Entschlossenheit, der selbst die Männer, die ihn seit Jahren kannten, bis ins Mark erschauern ließ.
»Ihr habt gesehen, was mit denen geschieht, die es wagen, meine Befehle zu missachten«, sagte Necron. Er sprach nicht einmal besonders laut, aber in seiner Stimme schwang eine Kälte, die die Männer wie unter einem Hieb zusammenfahren ließ. Von der sichelförmig gekrümmten Klinge des Dolches tropfte Blut auf den reglosen Körper zu seinen Füßen.
»Er hat versagt«, sagte Necron verächtlich. Der Mann war gestorben, ohne den geringsten Versuch einer Gegenwehr zu wagen. In seinen weit geöffneten, gebrochenen Augen stand noch immer der Ausdruck ungläubigen Schreckens, den er empfunden haben musste, als er die Waffe in Necrons Hand sah.
»Er wurde bestraft«, fuhr Necron fort. »Aber seine wahre Strafe wird ihn erst noch treffen, denn seine Seele wird vergehen wie die eines Unwürdigen, ohne in den unseren weiterzuleben. Sie wird gequält werden von den Dämonen des Jenseits, solange die Zeit besteht.« Er legte eine genau bemessene Pause ein, um seinen Worten das gehörige Gewicht zu verleihen, drehte sich dann um und wischte die Klinge an den Kleidern des Toten sauber.
Einer der neun Krieger trat vor und senkte demütig das Haupt. »Meister«, flüsterte er. »Lasst mich gehen. Ich -«
»Nein«, unterbrach ihn Necron. »Keiner von euch wird allein gehen. Unsere Mission ist zu wichtig, um sie ein zweites Mal in Gefahr zu bringen. Craven ist nun gewarnt. Ich selbst werde gehen.«
»Aber Ihr könntet in Gefahr geraten, Herr!«, protestierte einer seiner Begleiter.
»Gefahr?« Necron lächelte dünn. »Nein. In Gefahr gerate ich höchstens durch einen Narren wie deinen Kameraden, der gegen seinen Befehl handelte. Ich werde selbst gehen, heute Abend, sobald die Sonne versunken ist. Ihr begleitet mich, doch um Andaras Sohn werde ich allein mich kümmern. Euch habe ich eine andere Aufgabe zugedacht …«
»Hier.« Howard beugte sich vor, blies mir eine übel riechende blaue Qualmwolke ins Gesicht und hielt mir mit einem aufmunternden Lächeln eine randvoll gefüllte Tasse entgegen. »Der Kaffee wird dir sicher gut tun.«
Ich nickte dankbar, griff mit spitzen Fingern nach der Tasse und nahm einen vorsichtigen Schluck des brühheißen, höllisch starken Getränkes. Wir waren durch den Garten zurück ins
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