Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
dass sie schon immer hier gestanden hatte.
Die Uhr war ein Monstrum, in jeder Beziehung – so alt, dass das Holz an gewissen Stellen schon anfing, hart und grau wie Stein zu werden, und mit drei zusätzlichen kleinen Zifferblättern, die ein ungleichmäßiges Dreieck unter der großen, normalen, Anzeige bildeten. Was sie anzeigten, wusste kein Mensch – auf jeden Fall nicht die Zeit. Eines hatte drei Zeiger, das zweite überhaupt keine und auf dem dritten drehten sich drei kleine spiralige Scheiben, dass es einem schwindelte, wenn man zu lange hinsah.
Die Uhr war ungefähr das geschmackloseste Möbelstück, das ich jemals gesehen hatte – und ich habe eine Menge Dinge zu Gesicht bekommen –, aber irgendetwas hatte meinen Vater wohl stets davon abgehalten, sie wegzuwerfen und den Platz besser zu nutzen. Das große Uhrwerk hinter dem Zifferblatt zeigte immerhin pünktlich die Uhrzeit an.
Ich betrachtete die chronographische Missgeburt noch einen Moment, lehnte meinen Stockdegen gegen den Kaminsims und ging zum Fenster. Es war kurz nach acht und das Leben draußen auf den Straßen schien mit Einbruch der Dämmerung vollends erstorben zu sein. Hinter den Fenstern der Häuser flackerte Licht und im Süden war das glitzernde Band der Themse wie eine schwarze Schlucht im Lichtermeer der Stadt zu erkennen. Ein Bild von täuschendem Frieden.
Der Angriff kam so überraschend, dass meine Reaktion um Haaresbreite zu spät gekommen wäre.
Ein Schatten wuchs hinter mir auf und spiegelte sich verzerrt in der Scheibe vor meinem Gesicht, dann zischte etwas durch die Luft, verfehlte meine Schläfe um Millimeter und schlug mit solcher Wucht gegen den Kaminsims, dass Funken aus dem Stein stoben. Ich prallte zurück, glitt auf einem Läufer aus und fiel.
Der Sturz rettete mir das Leben. Ein silberner Blitz fuhr durch die Luft, dort, wo ich vor Sekundenbruchteilen noch gestanden hatte.
Das Schwert hämmerte dumpf mit der Breitseite auf den Parkettboden, kam wieder hoch und beschrieb einen kompliziert aussehenden Bogen – und zuckte wie eine angreifende Kobra auf mich herab!
Ich reagierte, ohne zu denken. Ich hatte gelernt, fair zu kämpfen, selbst wenn es um Leben und Tod ging, aber erstens ist es nicht gerade fair, einen Unbewaffneten mit einem meterlangen Schwert anzugreifen, und zweitens waren meinen Instinkten meine antrainierten Skrupel herzlich egal. Meine Hand krallte sich in den Läufer und zog mit einem kurzen, harten Ruck daran.
Der Angreifer verlor das Gleichgewicht, hing einen Moment in einer fast unmöglichen Schräglage mit wild rudernden Armen in der Luft und krachte schließlich schwer zu Boden.
Diesmal war ich eine Winzigkeit schneller als er.
Wir kamen beinahe gleichzeitig auf die Beine, aber als er sich hochstemmte und sein Schwert aufhob, war ich bereits heran und versetzte ihm einen gezielten Tritt.
Der Angreifer keuchte, blieb eine Sekunde reglos auf den Knien hocken – und fiel benommen zur Seite.
Hastig hob ich sein Schwert auf und legte es auf den Kaminsims, wo es erst einmal außer Reichweite war, dann öffnete ich die Schublade des Schreibtisches, von der ich wusste, dass sie eine Waffe enthielt, nahm den Revolver hervor und kontrollierte sorgfältig die Trommel. Erst dann drehte ich mich wieder zu meinem ungebetenen Besucher herum.
Der Kerl musste einen Schädel aus Granit haben, denn er stemmte sich bereits wieder auf Hände und Knie hoch und sah zu mir herüber – wenn auch noch aus leicht verschleiert wirkenden Augen.
Ich hatte erst jetzt Gelegenheit, ihn näher in Augenschein zu nehmen. Es war alles zu schnell gegangen, als dass ich ihn deutlicher denn als schwarzen Schatten erkannt hätte – aber viel mehr vermochte ich auch jetzt noch nicht zu sehen.
Er war nicht sehr groß, das sah ich, obwohl er auf den Knien hockte und zur Bewegungslosigkeit erstarrt war. Sein Gesicht war fast zur Gänze unter der Kapuze des schwarzen, bodenlangen Mantels verborgen, in den seine Gestalt gehüllt war. Alles, was ich sehen konnte, war ein schmallippiger, dünner Mund, der von einem schwarzen Bart eingerahmt war. Es war seltsam – wieder hatte ich den Eindruck gehabt, dass der Angreifer sein Schwert nicht tödlich geführt hatte. Er hätte mich eigentlich schon beim ersten Schlag treffen müssen. Was steckte dahinter?
»Also«, begann ich. »Wer sind Sie, und was wollen Sie hier?«
Er antwortete nicht, sondern starrte mich nur weiter schweigend unter seiner Kapuze hervor an und mir fiel auf, wie
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