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Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Titel: Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Rattenheer teilte sich vor ihnen. Die Tiere wichen lautlos zur Seite und bildeten mit ihren Körpern einen Weg, der die beiden Rattenmenschen nahezu zum entgegengesetzten Ende des Friedhofsgeländes führte.
    Der Boden war hier stärker aufgerissen und zerfetzt als dort, woher sie kamen. Die Ratten hatten den Boden aufgegraben und einen gewaltigen, zwei Meter tiefen Krater freigeschaufelt. Aus dem dunklen Erdreich ragten Holzsplitter und verfaulte Bretter wie gebleichte Knochen hervor; Trümmer des Sarges, den die scharfen Krallen der Tiere zerrissen hatten. Dazwischen, unförmig und verklumpt mit feuchtem Erdreich und den vermoderten Resten ehemals weißer Tücher, lag ein Körper. Ein Leichnam, vor Monaten beerdigt und nun aus seiner ewigen Ruhe gerissen.
    Der Krater schien wie in einer lautlosen Explosion auseinander zu spritzen, als die Ratten die Annäherung der beiden Zwitterwesen spürten und ihnen Platz machten. Ohne zu zögern traten die beiden Männer mit den Rattengesichtern in den Krater hinab, bückten sich nach dem Leichnam, hoben ihn auf und trugen ihn schweigend den Weg zurück, den sie gekommen waren.
    Wieder blieben sie auf Armeslänge vor der Unheimlichen stehen, und wieder vergingen Minuten, ehe die Frau mit dem Knochenschädel aus ihrer Starre erwachte.
    Langsam hob sie die Hand über das offene Grab. Ihre Lippen formten unheimliche Laute, die selbst die Rattenmänner erschaudern ließen. Das schwarze Wabern am Grunde der Grube wurde stärker.
    Auf einen lautlosen Befehl des Mädchens hin traten die beiden Männer dicht an den Rand des Grabes heran und warfen den Leichnam hinab.
    Aus dem Grab ertönte ein schreckliches Geräusch. Für einen ganz kurzen Augenblick begann die Schwärze zu kochen. Schleier und Schlieren aus noch tieferem Schwarz bildeten sich, absurde, unmögliche Umrisse, Fratzen und Grimassen, peitschende dünne Fäden …
    Dann beruhigte sich das körperlose Kochen und Brodeln wieder und auch die furchtbaren Laute verstummten.
    Und der Leichnam, den die beiden Rattenmänner in die Grube geworfen hatten, war verschwunden.
     
    Es war sehr lange nach Mitternacht, als wir nach Hause zurückkehrten. Der Empfang hatte noch angedauert, als Howard und ich uns von Sir und Lady Penderguest verabschiedet hatten und gegangen waren. Es war ein sonderbarer Abschied gewesen; merklich kühler und distanzierter als bisher und ich hatte gespürt, dass nicht nur Howard froh war, dass wir gingen. Ich bezweifelte, dass mich die Penderguests noch einmal auf einen ihrer Empfänge einladen würden.
    Allerdings verschwendete ich daran in diesem Moment kaum mehr als einen flüchtigen Gedanken.
    Das Haus war dunkel und still. Die Dienerschaft war schon lange zu Bett gegangen und auch Rowlf hatte sich wohl zurückgezogen, denn auch hinter den Fenstern des Gästezimmers brannte kein Licht mehr.
    Howard bedeutete mir mit stummen Gesten, oben auf ihn zu warten, warf Hut und Mantel achtlos auf die Garderobe und verschwand in seinem Zimmer.
    Der dicke Teppich dämpfte meine Schritte, als ich die Treppe ins erste Stockwerk hinaufging, und die Teppiche und Vorhänge, die an den Wänden drapiert waren, schienen zusätzlich jedes Geräusch aufzusaugen.
    Ich bewohnte das Haus seit fast einem halben Jahr; Zeit genug, jeden Winkel und jede Ecke zu kennen, und erst recht Zeit genug, mich hier heimisch zu fühlen.
    Aber keines von beidem war der Fall.
    Die riesige, dreistöckige Villa in einem der vornehmsten Viertel Londons war – wie alles, was ich besaß – ein Erbe meines Vaters gewesen. Und wie alles, was ich von ihm geerbt hatte, war das Haus zehn Mal größer und kostbarer als alles, was ich zuvor kennen gelernt hatte.
    Und ich hatte mich vom ersten Moment an nicht wohl in seinen Mauern gefühlt.
    Zu Anfang hatte ich geglaubt, es läge einfach an seiner Größe. Auf jemanden wie mich, der den größten Teil seines Lebens in den New Yorker Slums verbracht hatte, wirkte eine Umgebung wie diese naturgemäß im ersten Moment beängstigend. Ich war es nicht gewohnt, in einer Villa zu leben, in der man jede Mahlzeit in einem anderen Zimmer einnahm, in der es separate Räume zum An- und Auskleiden gab, ganze Zimmerfluchten, die für Gäste reserviert waren, gleich drei Bibliotheken und noch eine Anzahl von Räumen, die einfach leer standen. Und ich war es erst recht nicht gewohnt, von morgens bis abends von einer ganzen Heerschar von Dienern und Hausmädchen umsorgt und bemuttert zu werden.
    Aber Reichtum ist eine

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