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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bedauernd klang.
    »So lange, dass du alles vergessen hast?«, fragte ich.
    Shannon schüttelte kaum merklich den Kopf. »Ich habe nichts vergessen«, sagte er. »Nichts von dem Schmerz, den ich dir zu verdanken habe, Robert. Nichts von dem Entsetzen, das ich ertragen musste, weil ich dachte, einen Freund in dir gefunden zu haben.« Er lächelte, aber es wirkte kalt. »Diesmal weiß ich, wer du bist, Hexer. Du bringst das SIEGEL?«
    Ich nickte überrascht. »Woher –«
    Shannon unterbrach mich mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Ich kenne dich, Robert«, sagte er. »Besser als du selbst vielleicht. Du bist keiner, der das Leben zweihundert Unschuldiger opfern würde aus rationalen Überlegungen heraus. Nicht einmal das eines Einzigen.«
    »Und du?«
    Shannon antwortete nicht, sondern streckte stattdessen fordernd die rechte Hand aus und nach einem letzten, sekundenlangen Zögern trat ich auf ihn zu und ließ Andaras Amulett hineinfallen. Shannon hob es an die Augen, drehte es hin und her – und warf es mir mit einem zornigen Fauchen vor die Füße.
    »Du beleidigst mich, Robert«, sagte er heftig. »Dieses Ding ist nutzlos für uns. Ein Stück Tand, mehr nicht. Glaubst du wirklich, mich so leicht hinters Licht führen zu können?«
    Verwirrt bückte ich mich nach dem goldenen Stern, hob ihn auf und starrte abwechselnd ihn und Shannon an. »Aber das … das ist alles, was ich dir geben kann«, murmelte ich. »Ich sage die Wahrheit, Shannon! Ich weiß nicht, was du sonst –«
    »Das SIEGEL!«, unterbrach mich Shannon hart. »Wir sind hier, um das SIEGEL zu holen, Robert. Das erste der SIEBEN SIEGEL DER MACHT. Es befindet sich an Bord dieses Schiffes und es ist mein Auftrag, es zu bringen. Das da –« er deutete auf das Amulett in meiner Hand »- ist es jedenfalls nicht.«
    »Dann … dann weiß ich nicht, was du willst«, murmelte ich verstört.
    Shannon sah mich einen Moment lang scharf an. Plötzlich nickte er. »Ich glaube dir, Robert«, sagte er. »Du bist niemand, der lügen würde, wenn das Leben anderer auf dem Spiel steht. Aber das SIEGEL ist hier. Dagon hat es an Bord genommen, denn ohne es wäre dieses Schiff nutzlos für ihn. Wir werden es finden oder niemand wird dieses Schiff lebend verlassen.«
    »Aber ich weiß nicht einmal, wie es aussieht!«, begehrte ich auf.
    »Dann suche es«, sagte Shannon kalt. »Und beeile dich, Robert. Du hast nicht mehr viel Zeit.«
    Ich starrte ihn an, atmete hörbar aus und deutete auf den Höllenstrudel, der sich vor dem Bug der DAGON drehte. »Ist das dein Werk?«
    »Das meines Herrn«, antwortete Shannon.
    »Er wird dieses Schiff vernichten«, murmelte ich.
    Shannon nickte, so ungerührt, als sprächen wir über das Wetter, nicht über das Leben von zweihundert Männern, Frauen und Kindern. »Ja«, sagte er. »Dieses Schiff und alle, die an Bord sind. Es gibt kein Entkommen, Robert. Und du kannst dir die Mühe sparen, nach Rettungsbooten zu suchen. Selbst wenn es welche gäbe, würdet ihr dem Sog nicht entrinnen.« Er lächelte kalt. »Es sei denn, du findest das SIEGEL und bringst es mir.«
    Das war gelogen und Shannon wusste, dass ich die Lüge erkannte, das spürte ich im gleichen Moment, in dem er die Worte aussprach. Der Strudel würde das Schiff verschlingen; so oder so.
    Trotzdem nickte ich, nachdem ich das Amulett wieder in der Tasche hatte verschwinden lassen. »Wie viel Zeit bleibt uns?«
    »Nicht viel«, antwortete Shannon. »Knapp zwei Stunden.«
    »Versprichst du mir, uns in Frieden zu lassen, bis … bis es soweit ist?«
    Shannon nickte. »Wenn du das SIEGEL suchst, ja.«
    »Keinen Toten mehr?«
    »Keine Toten mehr, bis auf einen. Aber zweihundert, wenn du versuchst, mich zu betrügen, Hexer.«
    Und jetzt – endlich – begriff ich.
    Ohne ein weiteres Wort wandte ich mich um und ging zu der wartenden Menge zurück. Fragende Gesichter erwarteten mich, Augen, in denen eine bange Hoffnung glomm, und Lippen, die es nicht wagten, sich zu öffnen, um die Frage zu stellen, die ihnen allen auf den Zungen brannten.
    Ich ignorierte sie alle, ging auf Jennifer zu und wies mit einer Kopfbewegung zur Treppe.
    »Du hast gesagt, Dagon wäre geflohen«, sagte ich.
    Jennifer nickte.
    »Warst du dabei?«
    Wieder nickte sie, und ich fuhr fort, so leise, dass außer ihr und McGillycaddy, der unmittelbar hinter ihr stand, niemand die Worte verstand: »Kannst du mir den Ort zeigen?«
    Jennifer erschrak sichtlich, aber dann nickte sie ein drittes Mal, wenn ich auch sah, wie

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