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Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod

Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod

Titel: Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gekrönt von einer stoppeligen roten Haarbürste.
    »Rowlf!«, ächzte Nemo. »Was … wieso … ich meine …« Er brach ab, schluckte ein paarmal krampfhaft und starrte Obote und Rowlf abwechselnd an. »Was hat das zu bedeuten, Doktor?«, fragte er schließlich. »Wollen Sie uns alle umbringen? Wieso trägt er seinen Anzug nicht mehr?«
    Obote blickte ihn finster an, schnippte sich demonstrativ ein nicht vorhandenes Stäubchen von der Stelle seines Hemdes, an der ihn Nemos Hand gepackt hatte, und kniete ein zweites Mal neben Howard nieder. »Aus dem gleichen Grund, aus dem auch Monsieur Lovecraft seinen Anzug nicht mehr braucht, mon capitaine«, antwortete er beleidigt. »Weil es nicht mehr nötig ist.«
    »Nicht mehr …« Nemo blickte mit immer größer werdender Hilflosigkeit abwechselnd zu Rowlf, Obote und Howard und wieder zurück. »Was … was soll das bedeuten?«, stammelte er.
    »Das soll bedeuten, dass sie gesund sind.« Obote hatte die letzte Klammer gelöst, zog ächzend Howards Helm herab und begann mit der flachen Hand in sein Gesicht zu schlagen. Howard stöhnte. Die Zigarre fiel aus seinem Mundwinkel und verschwand Funken sprühend in seinem Anzug. Obote fluchte, angelte mit der Hand danach und bekam sie zu fassen, wenn auch – wie Nemo aus den Grimassen schloss, die er plötzlich schnitt – am brennenden Ende. Mit einem unflätigen Fluch riss er die Hand zurück, schleuderte die Zigarre in die Ecke und steckte die Finger in den Mund.
    »Was heißt hier gesund, Doktor?«, fragte Nemo. »Zum Teufel, reden Sie endlich. Vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden haben Sie diesen beiden Männern keine halbe Woche mehr gegeben!«
    »Daschweischischschelßst« Obote nahm die Finger aus dem Mund. »Das weiß ich selbst«, sagte er noch einmal. »Und jetzt sind sie eben gesund. Wenigstens Monsieur Rowlf. Und er« – er deutete mit einer Kopfbewegung auf Howard, der krampfhaft um Atem ringend auf dem Rücken lag – »wohl auch. Wenn Sie ihn ins Krankenzimmer bringen lassen, kann ich Ihnen bald Genaueres sagen.«
    »Ich … ich werde zwei Matrosen rufen«, sagte Nemo verstört. Aber Rowlf kam ihm zuvor. Mit einer abwehrenden Bewegung kniete er neben Howard nieder, lud ihn sich auf die Arme, als wöge er gar nichts, und wandte sich grinsend um. »Das mach ich schon«, sagte er. »Ins Krankenzimmer?«
    Obote nickte, und Rowlf trat ohne ein weiteres Wort durch das offen stehende Schott. Obote wollte ihm folgen, aber Nemo hielt ihn mit einem raschen Griff am Arm zurück.
    »Es tut mir Leid, Doktor«, sagte er. »Ich habe die Beherrschung verloren. Entschuldigen Sie, dass ich so grob war.«
    Obote lächelte. »Schon gut. Ich hätte Sie ja auch warnen können.«
    »Gesund?«, murmelte Nemo, als hätte er Obotes Worte gar nicht gehört. »Sie … Sie sind vollkommen sicher, dass Rowlf … geheilt ist?«
    Obote nickte. »Wenn nicht alles, was ich in dreißig Jahren als Arzt gelernt habe, falsch ist, ja«, antwortete er. »Und nach meinem ersten Eindruck Ihr Freund Howard auch. Körperlich zumindest«, schränkte er ein.
    Nemo blinzelte. »Wie meinen Sie das?«
    »Nun …« Obote zuckte mit den Schultern und blickte auf den Zigarrenstummel herab, der in einer Ecke verqualmte. »Ich frage mich, welcher geistig gesunde Mensch auf den Gedanken käme, in einem hermetisch geschlossenen Taucheranzug eine Zigarre zu rauchen, mon capitaine.«
     
    Siebzehntausendfünfhundert Meilen entfernt und ebenso viele Stunden in der Vergangenheit, am anderen Ende der Welt und im Jahre 1883, befand ich mich in einer wenig beneidenswerten Situation.
    Die Sonne war aufgegangen. Es war früher Morgen, der dritte oder vierte, seit ich die tropische Insel in der Sundastraße betreten hatte – so genau wusste ich das nicht mehr, denn während der letzten Tage war zu viel geschehen –, und vom Meer wehte eine kühle, nach Salzwasser riechende Brise herauf, die selbst hier oben, fünfhundert Yards über und anderthalb Meilen von der Küste entfernt, noch deutlich zu spüren war.
    Trotzdem schienen die niedrigen, von kleinen rechteckigen Zinnen gekrönten Gebäude der Garnison, vor der ich auf der Lauer lag, bereits wieder hinter einem Vorhang aus wabernder Hitze auf und ab zu schwingen. Die Sonne, gerade erst hinter dem Horizont hervorgekrochen und noch längst nicht so grell, wie sie tagsüber vom wolkenlosen Himmel Krakataus herabbrannte, überschüttete die Insel bereits mit einem Übermaß an Wärme. Selbst die Nebelfetzen, die noch wie

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