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Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Titel: Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verkalkte Matrone es immer noch nicht begriffen haben solltest« – seine Hand verschwand in der Tasche – »ich habe gar nicht die Absicht, den Ruhm mit dir zu teilen.«
    Mit diesen Worten zog er die Hand wieder hervor. Der blank polierte Lauf eines Derringers warf blitzende Reflexe auf den Mantel des Stahlzylinders. Gelassen betrachtete Maximilian die kleine Waffe für einen Moment, dann richtete er sie auf die Alte.
    »Jahrelang habe ich den Narren gespielt, habe mich geduckt unter deinen Launen«, zischte er. »Hast du wirklich geglaubt, ich hätte das alles umsonst getan, all die Demütigungen, all die Erniedrigungen, die ich ertragen habe?«
    Anna Sibelius erbleichte. Die Selbstsicherheit war aus ihrer Stimme verschwunden, hatte dem Timbre nackter Angst Platz gemacht. »Maximilian, ich … ich beschwöre dich …«
    »Rien ne va plus, Frau Professor. Nichts geht mehr. Sterben Sie wohl.«
    Sein Finger krümmte sich um den Abzug der Waffe. Für einen ganz kurzen Moment zitterte der Derringer in seiner Hand. Dann drückte er ab. Krachend entlud sich die erste Kammer der doppelläufigen Pistole.
    Doch sein kurzes Zögern hatte Anna Sibelius gereicht.
    Ihr rechter Fuß traf Maximilians Handgelenk. Der Schuss ging fehl und schlug mit einem metallischen Geräusch über ihr ein.
    Maximilian schrie auf, mehr aus Überraschung denn vor Schmerz, und taumelte haltlos zurück. Er kam nicht mehr dazu, den zweiten Schuss abzufeuern. Mit einem gellenden Kreischen stürzte sich die Alte von der Leiter herab auf Maximilian und riss ihn mit sich zu Boden.
     
    Schmerz! Heißer, pulsierender Schmerz, der seinen Körper verbrannte!
    Eben noch hatte sanfte Kühle die allgegenwärtige Hitze vertrieben, hatten sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt, hatte er begonnen, eine andere, schönere Welt zu entdecken, die jenseits des Schmerzes lag.
    Jetzt war die Pein zurückgekehrt, schrecklicher und verzehrender als zuvor.
    Verzweifelt versuchte sein gerade erwachtes Bewusstsein, das Brennen abzuwehren – vergebens. Seine Arme kamen hoch, schlugen gegen die stählernen Wände seines Kerkers. Sein Mund öffnete sich zu einem ersten Schrei und blieb doch stumm. Die Lippen, eben noch zu gleichmäßigen, ruhigen Atemzügen geöffnet, versagten den Dienst, jegliches Gefühl war aus ihnen gewichen.
    Am Kopf hatte der Schmerz begonnen; nun rann er, einer zähen Flüssigkeit gleich, den wohlgeformten, großen Körper herab, über Brust, Bauch und Hüften und die Beine hinunter.
    Noch immer trommelten die Fäuste gegen zolldicken Stahl, doch die Bewegungen wurden zusehends schwächer. Noch arbeitete das Herz, aber die Muskeln erhielten keine klaren Befehle mehr. Das komplizierte Gefüge, das die Einheit Mensch ausmachte, brach in Sekundenschnelle in sich zusammen.
    Noch einmal – ein letztes Mal – bäumte sich der massige Körper auf, wehrte sich das wiedererweckte Hirn gegen die ewige Nacht des Todes, die es zu verschlingen drohte.
    Dann war es vorbei. Der Golem brach zusammen.
    Und der elektrische Strom pulste weiter durch seine erschlafften Glieder …
     
    Keuchend stand Frau Professor Sibelius da. Die Arme hingen nutzlos an ihrem dürren Körper herab, ihr Atem ging rasselnd und schwer; schmerzhaft füllten sich die Lungen mit stickiger, heißer Luft.
    Zu ihren Füßen lag Maximilian, die gebrochenen Augen in ungläubigem Staunen weit aufgerissen. Sein weißer Kittel färbte sich langsam rot.
    Das zerbrochene Reagenzglas entglitt ihrer kraftlos gewordenen Hand und klirrte zu Boden. Blut glitzerte an den scharfen Bruchstellen.
    Nur mühsam konnte die Alte den Kopf heben. Das verzweifelte Aufbäumen im Angesicht des Todes hatte ihre letzten Kraftreserven verbraucht. Langsam und mit unendlich müde wirkenden Bewegungen wandte sie sich um.
    Ein Messer schien sich in ihr müdes Hirn zu bohren, als ihr Blick auf den Stahlzylinder fiel, und ein entsetzter Schrei brach über ihre Lippen.
    Äußerlich hatte sich nichts verändert. Noch immer stand der Koloss da, mit dem leise summenden Transformator verbunden, die Leiter an seiner Seite, von unheimlich flackernden, blauweißen Blitzen umzuckt. Von oben jedoch, aus dem großen Behälter über dem Zylinder, stürzte ein dünnes Rinnsal auf ihn herab und verschwand in der geöffneten Luke des Sichtfensters.
    Die Säure!
    Maximilians letzter Ausweg, falls der Versuch missglücken sollte, falls sie mit den Experiment eine tödliche Gefahr heraufbeschworen! Der Pistolenschuss musste den Kessel

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