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Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Titel: Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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leben, Maximilian. Leben!«
    Der junge Mann ballte die Fäuste und schluckte die scharfe Erwiderung, die ihm auf der Zunge lag, im letzten Moment herunter. »Jawohl, Frau Professor. Mehr Elektrizität, Frau Professor.« Und leise fügte er hinzu: »Wirst schon sehen, was du davon hast, du alte Matrone.«
    Dann trat er an einen der Transformatoren. Seine Haare stellten sich auf und wurden von einem unsichtbaren Sog in Richtung der großen, mit Kupferdraht umwickelten Spulen gezogen. Die Spannung war schon sehr groß; fast zu groß! Fünfhundert Volt konnte er noch verantworten, mehr nicht. Die Alte erkannte in ihrem Wahn schon nicht mehr die Gefahr, in der sie beide schwebten. Er aber, Maximilian, war noch sehr gut bei Verstand; vielleicht besser, als es der Alten Recht sein konnte. Sie würde es noch merken – früh genug.
    Behutsam schlossen sich seine kräftigen Hände um die Drehregler, steigerten durch eine einzige Umdrehung der Stahlräder das Zucken und Wüten der Blitze zu einem Inferno aus Licht und entfesselten Gewalten. Die Kupferspulen begannen zu glühen und die plötzliche Hitze trieb Maximilian zwei Schritte zurück. Der Transformator war jetzt hoffnungslos überlastet. Wenn das Experiment glücken sollte, musste es rasch geschehen.
    Hinter seinem Rücken erscholl ein Schrei des Entzückens. Maximilian fuhr herum. Frau Professor Anna Sibelius hatte ihr faltiges Gesicht dicht an das kleine Sichtfenster gepresst und klatschte mit beiden Händen begeistert gegen die Metallwandung des Zylinders. Dann ruckte ihr Kopf wieder hoch.
    »Die Muskeln reagieren!«, schrie sie mit überschnappender Stimme. »Mehr Strom, Maximilian, mehr Strom!«
    »Unmöglich! Wollen Sie, dass hier alles in die Luft fliegt?« Maximilian trat entschlossen an die Leiter heran. Nein, diesmal würde er nicht klein beigeben; nicht um diesen Preis.
    Anna Sibelius war für einen Moment verwirrt. Widerworte von diesem … Dilletanten? Aber dann sah sie in seine Augen und ihr Größenwahn erhielt einen kräftigen Dämpfer. Maximilians Blick war eiskalt – und er schien zu allem entschlossen.
    »Dann eben …« Sekundenlang suchte sie nach einem Ausweg. »Das Glyzerin! Bring mir das Glyzerin; schnell doch! Auf dem Regal, das mittlere Fach.«
    Der Blick ihrer Fischaugen huschte unruhig über die Instrumente, während sich Maximilian umwandte und mit schnellen Schritten das Labor durchquerte. Ihre Lippen formten flüsternd Worte, ohne dass es ihr bewusst wurde: »Hundertzwanzig Grad … Höher darf die Temperatur nicht steigen … Das Ventil; ich muss es kurz öffnen …«
    Ein helles Klirren drang an ihr Ohr und ließ sie herumfahren. Als sie sah, dass ihr Assistent sich nach den Scherben einer bauchigen Flasche bückte, die ihm offenbar zu Boden gefallen war, durchzuckte sie ein eisiger Schrecken. »Das Glyzerin! Du Trottel hast es -«
    »Nein, nicht das Glyzerin«, unterbrach er sie. »Die Flasche daneben.«
    Anna Sibelius erbleichte. Für Sekunden bebten ihre Lippen nur, ohne dass sie ein einziges Wort herausbringen konnte. »Er?«, stieß sie endlich tonlos hervor. Ihr Adamsapfel fuhr nervös auf und ab. »Du … du hast Ihn freigelassen? Du hast …«
    Maximilian erstarrte. Hastig bückte er sich nach der Scherbe mit dem Etikett, bemerkte nicht einmal, dass das scharfe Glas seine Finger ritzte und Blut zu Boden tropfte. Dann stieß er hörbar die Luft aus und schüttelte den Kopf. »Kaliumlauge«, ächzte er. »Es ist nur Kaliumlauge.«
    Frau Professor Sibelius wischte sich mit dem fettigen Ärmel den Schweiß aus der Stirn. Ihre Knie zitterten so heftig, dass sie sich kaum mehr auf der Leiter halten konnte.
    »Nur die Lauge.« Auch ihre Stimme bebte. Sie musste ein paar Mal schlucken, bis sie ihre alte Überheblichkeit zurückgewonnen hatte. »Verdammter Idiot!«, fuhr sie dann auf. »Um ein Haar hättest du alles verdorben. Er hätte alles verdorben! Jetzt her mit dem Glyzerin; rasch!«
    Als er nun nach dem richtigen Behälter griff, fiel Maximilians Blick auf die Flasche aus trübem, grünem Glas, die ihnen fast zum Verhängnis geworden wäre. Auf dem Etikett mit dem grinsenden Totenschädel stand nur ein einziges, in alten, verwischten Lettern geschriebenes Wort: KOBOLD.
     
    Zuerst wer da nur Schmerz. Ein dumpfer Schmerz, auf keine bestimmte Stelle des Körpers konzentriert, sondern allgegenwärtig, nagend und in unstetem Rhythmus pulsierend. Und doch war er die erste Regung seiner Existenz, das erste Empfinden, das ihn über tote

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