Hexer-Edition 18: Endstation Hölle
besaß die Proportionen eines Saurierschädels mit lang vorragendem Kiefer und kleinen, tückischen Augen. Der Kiefer öffnete und schloss sich, das Raubtiergebiss mit den Reißzähnen gab ein knirschendes Geräusch von sich und dann brüllte und fauchte das Ding, dass die Zähne des Dieners mitzuklappern begannen und er beinahe aus dem Fenster gestürzt wäre, wenn Phileas Fogg ihn nicht am Kragen gepackt und zurückgerissen hätte.
Passepartout kroch wimmernd von dem Fenster fort in die Nähe der Tür und kauerte sich am Boden zusammen. Er barg das Gesicht in den Händen und schluchzte.
»Ich will nicht sterben«, hauchte er. »Ich bin nicht dafür geschaffen, dem Tod aufrecht ins Angesicht zu sehen!«
»Du wirst nicht sterben«, sagte Mr. Fogg kühl und beherrscht, wie es seine Art war. »Der Stein schützt uns. Solange du bei mir bist …« Er ließ den Satz offen und beugte den Oberkörper wieder hinaus. Es war seltsam, keiner der anderen Fahrgäste schien etwas zu bemerken. An den Fenstern der anderen Abteile und Wagen rührte sich nichts.
»Nicht sterben!« Dumpf kam das Echo aus des Dieners Kehle. Die Worte seines Herrn waren ein schwacher Trost angesichts dessen, was sich draußen abspielte.
Und was noch auf sie zukam, lautlos zunächst und unsichtbar, dafür aber mit umso größerer Härte.
Wieder stieß der Saurier ein Brüllen aus und der Zug wurde durchgeschüttelt. Er geriet ins Schlingern und es dauerte mindestens fünf Minuten, bis er sich beruhigt hatte. Das urweltliche Zugtier schien von einer unerschöpflichen Kraft beseelt, es machte sich nichts aus dem Gewicht der acht Waggons, die der Zug nach Bezwada mit sich führte.
Passepartout kam langsam wieder hoch. Er stützte sich an der Wand ab, fasste mit der einen Hand nach dem Sitzpolster und der anderen nach dem Türgriff. Die Tür ächzte und wackelte und er ließ sie hastig los.
»Reiß dich zusammen«, vernahm er die Stimme seines Herrn. »Gemeinsam werden wir alles überstehen. Selbst den Tod.«
Der Diener des ehrenwerten Mr. Phileas Fogg wäre froh gewesen, er hätte eine Antwort geben können, die zumindest ein winziges Fünkchen Hoffnung beinhaltete. Aber da war nichts, rein gar nichts; sein Inneres war wie ausgebrannt, eine gähnende Leere ohne Eingeweide und ohne ein richtiges Denkvermögen.
Phileas Fogg trat ein wenig vom Fenster zurück. Seine Miene war ernster geworden, er senkte den Kopf zum Nachdenken.
Das Ungetüm dort vorn war neben der trostlosen Landschaft mit Sicherheit nicht die einzige Erscheinung, mit der sie es zu tun hatten. Andere Dinge mochten irgendwo auf den Zug lauern.
Er zog Passepartout zu sich heran und suchte mit den Augen das Abteil ab.
»Nicht hinsehen!«, sagte er dann. Aber Passepartout sah hin.
Überall aus den Ritzen und Fugen drängten kleine grünlichgelbe Tropfen heraus. Sie wuchsen rasch zu faustgroßen Bällen an, die an der Decke und den Wänden klebten wie Eiterbeulen.
»Was ist das?«, keuchte der Diener, ständig ein Auge in Richtung Tür gewandt.
Mr. Fogg zuckte mit den Schultern und duckte sich. Die Beulen platzten auf und verspritzten ihren Inhalt in das Zugabteil.
Die Übergangsphase vom Diesseits ins Jenseits wurde begleitet von einer unbegreiflichen Art des Schwebens, von einer Leichtigkeit, die jeden Gedanken an eine körperliche Existenz vergessen machte. Howards Seele begann sich zu bewegen, sie drehte und wendete sich und sie vermittelte ein Gefühl des Wohlbehagens und der Geborgenheit. Da entstand ein Traum in seinem Bewusstsein und er berichtete vom ewigen Vergessen und der Vergangenheit all dessen, was bisher wichtig gewesen war und eine Bedeutung besessen hatte.
Ein Traum? Ein Traum, in dem die Kälte von der Wärme abgelöst wurde, in dem das Böse durch das Gute verdrängt wurde?
Der Traum besaß einen Hauch der Wirklichkeit und irgendwo im Unterbewusstsein des Träumers setzte sich der Gedanke fest, dass es die Wirklichkeit des Jenseits war, und er dachte: Du bist tot, gestorben in einem Abgrund, umhüllt von der Finsternis. Und wenn du erwachst, dann wird Licht um dich sein, du wirst dich geborgen fühlen und auch keine Erinnerung mehr an das besitzen, was vor diesem Erwachen gewesen ist.
Der Gedanke, dieses Licht wahrzunehmen, es endlich mit körperlosen Augen sehen zu können, erregte das Bewusstsein des Träumers. Er glaubte einen Widerstand irgendwo zu spüren, benötigte eine Weile, um den ungewohnten Eindruck aufzunehmen und zu prüfen, erkannte dann
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