Hexer-Edition 18: Endstation Hölle
blauen Murmeln blickten den Schüler an.
»Monsieur?«, fragte Sundhaies mit seltsam veränderter Stimme. »Es ist Nacht!«
»Draußen wird es dunkel«, antwortete Talsah. »Aber hier wird es gleich hell!«
Ein Rascheln und Zischen entstand, dann flammte der Kienspan auf und beleuchtete die Höhle. Talsah reichte seinem Meister die Hand und Rajniv erhob sich schwankend und machte ein paar Schritte weiter in die Höhle hinein. Er sah sie liegen, drei Körper. Vorsichtig ging er näher heran. Es waren zwei Männer mittleren Alters, Europäer, wie er feststellte. Der dritte war ein junger Inder, vermutlich der Führer.
»Sieh nach, was mit ihnen ist«, sagte der Alte.
Talsah beugte sich über sie und untersuchte sie. Er prüfte ihren Pulsschlag und ihre Atmung, tastete Brustkorb und Rücken ab, danach die Beine und Arme.
»Sie sind unverletzt!« Wieder nahm er Rajnivs Hand. »Aber die Ohnmacht hält sie umfangen!«
Einige wenige Augenblicke schwieg Rajniv Sundhaies, dann begann er leise vor sich hin zu lachen.
»Wie war es?«, wollte er wissen. »Ich habe wieder Monsieur gesagt, ganz bestimmt!«
»Ja.«
»Es ist eine Fügung des Schicksals, dass diese Wunde in meiner Seele nicht verheilen will und unter großen Anstrengungen immer neu aufbricht«, seufzte der Alte. »Sei es, wie es will. Ich habe drei Männer, die dem Tod ausgeliefert waren, gerettet. Sage mir, Talsah, wird jenes Böse oben in den Ghats kommen, um mich dafür zu bestrafen?«
Talsah gab keine Antwort. Er führte Rajniv zu den drei Geretteten. Der Alte sah durch die Augen des Schülers und beobachtete, wie eine der Gestalten sich zu bewegen begann. Sie rollte sich auf den Rücken, fuhr mit der Hand über das Gesicht und öffnete dann die Augen.
Die Augen zogen Rajnivs Sundhales magisch an. Er machte einen Schritt zurück, wollte sich abwenden, aber Talsah starrte den Fremden unentwegt an. Rajniv meinte, in diesen Augen versinken zu müssen.
Und plötzlich wusste er es und stieß einen langen anhaltenden Schrei aus.
Passepartout hatte auf den ersten Meilen der Bahnfahrt sein Gewissen befragt und sich endgültig entschlossen, den Kampf zwischen Fassungslosigkeit und Resignation zu beenden. Kalte Entschlossenheit begann sich in ihm mit stoischer Ruhe zu paaren, und je länger die Fahrt dauerte, desto häufiger tauchte in seinen Gedanken die Vorstellung auf, dass die Reise in Bezwada oder spätestens in Bandar zu Ende sein musste.
In einer Weise zu Ende, die es nicht zuließ, dass noch einmal so etwas geschah wie in jener schrecklichen Nacht auf der Lichtung.
Seither war das schwankende Gemüt seines Herrn vollends ins Taumeln geraten. Einmal bat er ihn, notfalls mit Gewalt auf ihn aufzupassen, dann schrie er ihn wieder an oder erzählte mit funkelnden Augen von dem Kadath-Stein, unter dessen Bann er stand.
Der Stein beruhigte Passepartout ein wenig, stellte er doch unter Beweis, dass Mr. Fogg nach wie vor der gütige und charakterstarke Mensch war, der lediglich unter dem Einfluss dieses schwarzen Lederbeutels litt.
Wie durchsichtig doch alles war, wenn man es Stück für Stück von Anfang an betrachtete. Da war der äußerst unsympathische und verdächtige Professor Moriarty aufgetaucht und hatte Mr. Fogg zu einer recht ungewöhnlichen Wette herausgefordert, die so außergewöhnlich auch wieder nicht war, wenn man wusste, dass der Mann aus der Savile Row schon einmal in achtzig Tagen um die Welt gereist war, eine Leistung, die zuvor kein Mensch vollbracht hatte. Inzwischen gab es schnellere Eisenbahnen und schnellere Schiffe, warum also hätte es nicht jemand in sechzig Tagen schaffen können?
Der Haken bestand allein in diesem kleinen Lederbeutel, der gut versiegelt in der linken Rocktasche seines Herrn lag und angeblich den Verlauf der Reise kontrollierte, in Wirklichkeit jedoch viel schlimmer war. Es war ein Teufelsstein, da war sich Passepartout absolut sicher. Wenn er auch wenig von Magie und Zauberkünsten verstand – nicht viel mehr, als er in seiner Jugend auf Jahrmärkten Frankreichs erlebt hatte – so begriff er doch, dass hier bösartige Kräfte am Werk waren; Kräfte, die aus einem edlen und harmlosen Menschen einen Verbrecher machten, einen Mörder.
Ein Frostschauer nach dem anderen jagte über den Rücken des Dieners, als Phileas Fogg sich erhob, ihn mit merkwürdigem Blick musterte, das Fenster öffnete und hinaussah. Der Fahrtwind blies ihm ins Gesicht und ließ die Haare flattern, machte aus der gepflegten
Weitere Kostenlose Bücher