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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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überhaupt, dann war dies die unwiderruflich letzte Gelegenheit für mich, zusammen mit Sill zu verschwinden. Niemand schien im Augenblick Notiz von uns zu nehmen – was ja auch weiter kein Wunder war, da Freund und Feind (Freund???) mit Feuereifer dabei waren, sich gegenseitig in ihr Äquivalent der Hölle zu schicken. Kein Mensch und noch weniger ein Affe hatte jetzt noch einen Blick für Sill und mich übrig.
    Ich stand auf, warf einen raschen, sichernden Blick nach rechts und links, hob Sill auf die Arme und lief geduckt los. Tatsächlich blieb das improvisierte Schlachtfeld hinter mir zurück, ohne dass ich angegriffen wurde; ja, scheinbar sogar, ohne dass auch nur jemand Notiz von mir nahm. Ich fasste ein wenig mehr Mut und lief schneller.
    Direkt in die Arme eines Sree hinein, der wie aus dem Boden gewachsen vor mir auftauchte.
    Ich schrie auf, versuchte herumzuwirbeln und fiel, durch Sills Gewicht aus der Balance gebracht. Der Sree setzte mir nach, grabschte mit einer seiner gewaltigen Pranken nach mir und riss ein Stück aus meinem Hemd. Ganz instinktiv rollte ich herum, zog die Knie an den Leib und versetzte ihm einen saftigen Tritt an eine Stelle zwei Hand breit unter der Gürtellinie; aber entweder trug der Kerl ein Suspensorium oder es gab zwischen der Anatomie der Sree und wirklicher Affen doch einen Unterschied, denn der Kerl grunzte nur, packte meinen Fuß und verdrehte ihn so heftig, dass ich vor Schmerz abermals aufschrie.
    Ein zweiter Sree brach hinter ihm aus dem Gebüsch, näherte sich mit wiegenden Schritten der reglos daliegenden Sill und hob sie auf.
    Der Anblick gab mir noch einmal neue Kraft. Ich sprang hoch, rammte dem Affenwesen den Ellbogen in die Seite und versuchte mich auf den zu stürzen, der Sill aufgehoben hatte. Eine gewaltige Klaue legte sich um meinen Oberarm und warf mich wie ein Spielzeug zu Boden. Mit einem ungeheuerlichen Brüllen fuhr der Sree herum und machte Anstalten sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf mich zu werfen, um mich schlichtweg zu zermalmen.
    Er führte die Bewegung nicht zu Ende. Etwas blitzte hinter ihm auf und plötzlich ragte eine Schwertspitze aus seiner Brust. Einen Sekundenbruchteil starrte er das rotsilberne Dreieck aus runden Augen an, dann stieß er einen sonderbar röchelnden Laut aus, kippte zur Seite und blieb reglos liegen.
    Madur beugte sich über ihn, zog sein Schwert aus der Wunde und starrte mich finster an. Er rührte sich nicht, als ich mich aufrappelte und herumfuhr. »Sill!«, keuchte ich. »Wo ist sie?«
    »Fort«, antwortete Madur ruhig. »Die Ancen-Honks haben sie mitgenommen, du Narr.«
    »Mitgenommen?« Ich starrte ihn an, fuhr abermals herum und sah verzweifelt in die Richtung, in der der Sree verschwunden war. Die breite Spur, die er in das Unterholz gebrochen hatte, war deutlich zu erkennen. »Wir müssen ihr nach!«, rief ich. »Schnell, Madur – ruf deine Leute zusammen.«
    »Aber natürlich«, sagte Madur.
    Dann schlug er mir die Breitseite seines Schwertes gegen den Hinterkopf.
    Als ich erwachte, lag ich auf einer Art roh zusammengezimmertem Schlitten, der von zwei gewaltigen Sree gezogen wurde, und war mit dünnen, aber sehr zähen Ranken gefesselt. Ein dumpfer Schmerz pochte in meinem Hinterkopf. Es dauerte lange, bis ich vollkommen wach wurde und die ineinander fließenden Farben und Geräusche und Gerüche sich zu der mir vertrauten Welt zusammenfügten.
    »Sill«, murmelte ich. »Wo ist … Sill?«
    »Nicht da, du Narr«, sagte eine Stimme neben mir.
    Ich versuchte den Kopf zu drehen – es war der einzige Körperteil, der nicht so gebunden war, dass ich ihn keinen Millimeter bewegen konnte – und erkannte Madur, der mit finsterem Gesicht neben mir herstapfte. »Sie ist da, wo auch du um ein Haar gelandet wärest. Auf dem Weg nach Ancen.«
    »Ancen …« Ich erschrak. »Was … was werden sie mit ihr tun?«
    Madur lächelte kalt. »Ich weiß nicht, ob meine Phantasie reicht, es mir auszumalen«, sagte er. »Sie umbringen, vermute ich. Wenn sie Glück hat, dauert es nur ein paar Tage.«
    Ich starrte ihn an, schloss für einen Moment die Augen und versuchte das Entsetzen zu verdrängen, mit dem mich seine Worte erfüllten.
    »Du bist ein Narr, Robät«, fuhr er fort. »Was hast du dir von einer Flucht versprochen? Selbst, wenn es dir gelungen wäre – was dann?« Er lachte. »Wenn du wirklich die Wahrheit gesagt hast und unsere Welt nicht kennst, hast du allein in diesem Dschungel keine Chance. Er ist gefährlich.

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