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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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klarzukommen.
    Diese Prämissen teilt Lukianenko dem Leser nicht direkt mit, sondern mischt sie seinem wie immer flott erzählten Garn nach und nach unter, sodass man seinem Helden Leonid längst in die bunten Welten eines seltsam weiterentwickelten Internets gefolgt ist, ehe alle Informationen beisammen sind. Während alle anderen Menschen gleichsam vom Deep-Programm gefangengenommen werden und aus eigener Kraft nicht wieder aus der sogenannten »Tiefe« herauskommen können (sie müssen per Zeitschaltuhr »auftauchen«), gehört Leonid zur seltenen Spezies der Diver, die sich willentlich und jederzeit aus der Deep-Hypnose befreien können. Das erweist sich als äußerst praktisch. Wo andere an der Aufgabe scheitern, eine Brücke zu überschreiten, die lediglich aus einem gespannten Pferdehaar besteht, kann Leonid ebenjene Brücke als das betrachten, was sie in Wirklichkeit ist – nämlich nur ein paar Zeilen Programm-Code –, und sie mühelos überwinden. Auf diese Weise kann er alle Spiele meistern, die im Netz gespielt werden; denn natürlich wird die Tiefe abgesehen von allen Spielarten der Pornografie hauptsächlich zum Spielen genutzt. Was sonst?
    Da in der Tiefe natürlich auch reale Geheimnisse gehütet werden, kann Leonid sich mit dem Stehlen von Daten seinen Lebensunterhalt verdienen. Bis er eines Tages den lukrativen Auftrag bekommt, nach einem Nutzer zu suchen, der nicht mehr aus den virtuellen Verliesen eines Internet-Spiels herausfindet, ja, der nicht einmal in das Spiel hineingelangt zu sein scheint, obwohl er zweifelsfrei dort festsitzt. Ist er eine Persönlichkeit, die es in der Realität womöglich nicht mehr gibt, weil ihr Körper am Rechner gestorben ist, während der Geist in der Tiefe gefangen wurde? Ist dieser »Loser« ein Geschöpf der Tiefe selbst, eine künstliche, rechnergenerierte Persönlichkeit? Oder ist er ein Fremder, ein Nichtmensch, den es in die Tiefe verschlagen hat? Was auch immer stimmt, plötzlich findet sich Leonid in einem verzwickten Spiel wieder, das nicht weniger auf die Probe stellt als sein Gewissen und seine Selbstachtung. Und die Leute, die nun hinter ihm her sind, haben viel weniger Skrupel als er selbst, der er gerade eine Beziehung
mit Vika eingeht. Eine halb wirkliche, halb virtuelle Beziehung – »es ist kompliziert«.
    Bei dem Spiel handelt es sich übrigens um Doom , falls sich noch jemand an die Aufregung erinnert, die es in den Neunzigerjahren um dieses Game gab (das wieder mal den Untergang des Abendlandes herbeiführen sollte); erstaunlich mutet allerdings an, wie Lukianenko schon Anfang der Neunziger die Weiterentwicklung der Folgejahre hin zu World of Warcraft und Konsorten vorausgeahnt hat.

    Die Geschichte vom »Labyrinth der Spiegel« wird nicht ganz in der gewohnten Lukianenko-Manier erzählt, haben wir es hier doch mit einem mittlerweile über fünfzehn Jahre alten Text zu tun, und manches, was in späteren Büchern wie »Spektrum« wunderbar funktioniert, kommt hier ebenso wie im Folgeband »Der falsche Spiegel« noch etwas holperig herüber. Ein spannendes Abenteuer bleibt es allemal, und die Orientierung wird dem Leser leicht gemacht: Alle Passagen in der »Tiefe« werden im Präsens erzählt, und das Präteritum des Erzählers zeigt an, dass man sich in der Realität befindet. Dieser Trick führt auch dazu, dass sich die Ereignisse in der tatsächlich existierenden Welt mitunter weniger wirklich ausnehmen als die im Virtuellen.
     
    Drei Jahre später schob Lukianenko »Der falsche Spiegel« nach, worin sich sowohl die Tiefe als auch Leonid weiterentwickelt haben. Die Rechner sind nun schon stolze Pentiums, und Windows Home nervt mit seinen Sicherheitsabfragen. Die Diver haben ihre Sonderstellung eingebüßt. Leonid verdient sein Geld als virtueller
Möbelpacker in der virtuellen Welt (nicht immer ist Lukianenkos Humor treffsicher).
    Als allerdings ein Freund Leonids aus der Tiefe heraus getötet wird, scheint der harmlose Spaß in den virtuellen Welten endgültig vorbei zu sein. Wer möchte schon ein Spiel spielen, in dem man nach einem »Game Over« auch in der Wirklichkeit tot ist, statt nur ein virtuelles »Leben« zu verlieren? Wer will ein Spiel spielen, dessen Oberboss im letzten Level, vollgesogen mit den virtuellen Toden Tausender Spieler, kurz davor steht, selbst Bewusstsein und Empfindungsfähigkeit zu erlangen? Oder eines, in dem man am Ende einer dunklen Version seiner selbst gegenübertreten muss?
    Wer den ersten Band

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