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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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jedes politische, historische oder kulturelle Merkmal erhält bei seiner Verbreitung durch die Medien eine kinetische Energie, die es für immer seinem eigenen Raum entreißt und in einen Hyperraum vorantreibt … Wir brauchen keine Science Fiction mehr.« (»Das Jahr 2000 findet nicht statt«) Und Ende der Neunzigerjahre tritt Peter Sloterdijk mit seiner polemischen Rede (und dem späteren Buch) »Regeln für den Menschenpark« eine Debatte über das Ende des Humanismus-Konzepts los, denn der Angriff auf die menschliche Vorstellung von Individualität und Souveränität erfolge sowohl über das Hirn als auch über unsere Körperlichkeit. »Die Geschichte selbst wird immer mehr zu einer Reihe von Optionen«, stellt der Science-Fiction-Kritiker John Clute in einem Interview fest, das im SCIENCE FICTION JAHR 2000 veröffentlicht wurde. Filme wie Truman Show , eXistenz oder Matrix thematisieren diese Auflösung von Wirklichkeit.

    In »Next« ist an die Stelle der »Körperzeit« die »Jetztzeit« (oder »Systemzeit«) getreten, in der die Zeit im doppelten Sinne aufgehoben ist; da alles gleichzeitig existiert, ist der Spezies Mensch auch jede zeitliche oder räumliche Verortung abhandengekommen. Der Verlust der Außenwahrnehmung, der Zerfall der Realität in Momentaufnahmen, löst beim »letzten Menschen« die Sucht nach Vergewisserung aus, eine Suche nach dem verlorenen Ort und der verlorenen Zeit. »Ich müsste etwas erheben, etwas messen können, was einen Unterschied markiert zwischen mir und den anderen. Zwischen hier und dort. Zwischen damals, jetzt und zukünftig. Aber es gibt nichts mehr, was mir diese Unterschiede offenbaren könnte, wenn sie denn noch vorhanden wären.«
    Andere Reflexionen betreffen die Bedeutung von sensorischen Empfindungen und Gefühlen für das Denken. »Den Körper abzuschaffen, hieße dann, auch die Kapazität des Geistes zu reduzieren … Die Haltung, die wir als Menschen früher einnahmen, beeinflusste nachgewiesenermaßen unsere innere Haltung zu uns selbst und zu anderen Menschen ebenso wie die Haltung anderer Menschen uns gegenüber.«
    Letztendlich ist es das Beharren des Menschen auf der eigenen Erzählung, das den Algorithmus vor ein unlösbares Problem stellt, weil er dieses Erzählen nicht decodieren kann. Denn der Zweifel, die Uneindeutigkeit, der Zufall, die Untrennbarkeit von Emotion und Ratio als Elementen der Kognition, die Kreativität sind in dessen eindeutig formulierten Regelschritten nicht vorgesehen und bringen das System zum Absturz. Wie allerdings der letzte Mensch der deterministischen Gleichschaltung entgehen konnte, enthüllt das Buch leider nicht.
    Miriam Meckel hält auch für die Zukunft am Konzept menschlicher Willensfreiheit fest. »Wir können nicht alle menschlichen Prozesse in das lineare Schema ›Ursache-Wirkung‹ pressen«, sagt sie in einem Interview mit dem Tagesspiegel zu ihrem Buch. »Da
gibt es Varianten, die wir nicht erklären können. Wären wir als Menschen deterministisch angelegt, dann wäre das Leben ziemlich reizlos.«
    »Rettet den Zufall!«, ruft der Aufkleber auf dem Buchcover. Ist »Next« also in erster Linie ein didaktischer Versuch medialer Aufklärung? Die Autorin selbst sieht das Buch, wie sie im Nachwort schreibt, »nicht als Ergebnis der Überlegungen einer vermeintlichen Kultur- oder Technikpessimistin«, sondern als einen »›Denkraum‹, in dem sich jeder selbst verorten kann … Das Szenario … ist ein Angebot zum Weiterdenken darüber, was uns Menschen in einer digitalisierten Welt ausmacht und wie wir leben wollen. Schon dadurch, dass wir über die Zukunft nachdenken, gestalten wir sie.« Ähnlich klingt es, wenn Klaus Mainzer in »K.I. – Künstliche Intelligenz« (2003) der KI-Forschung und Informatik als Leitlinie vorgibt, »den Menschen als Selbstzweck zu achten und zum Maßstab der Technik zu machen … Es sollte in unserer Hand liegen zu entscheiden, wer wir sind, was wir bleiben und was wir an künstlicher Intelligenz neben uns brauchen und dulden wollen.«
    Selbst wenn »Next« als Roman mangels Spannungsbogen und durch häufige thematische Wiederholungen nicht funktioniert: Zumindest ist der Denkraum dieses Buches so weit gefasst, dass es seinen Lesern jede Menge gedanklicher Vernetzungsmöglichkeiten bietet – von der Gehirnforschung bis zur K.I.-Forschung, von der Informatik bis zur Philosophie im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung, von Huxley bis Stross.
    Usch Kiausch
    T. H.

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