Heyne Galaxy 03
Sie gingen weiter. »In diesem Tank wachsen die Tiger heran – sehr gefährliche Tiere, aber unbedingt wert, erneut zu leben.«
Vor dem letzten Behälter in der langen Reihe blieb der Besucher jäh stehen.
»Nur ein Exemplar? Was ist es?«
»Armes Monster«, sagte der Biologe mit trauriger Stimme. »Es wird immer allein sein, und ich werde viel Kummer mit ihm haben.«
»So gefährlich?« wunderte sich der Besucher. »Gefährlicher als die Elefanten und Tiger und Bären?«
»Ich benötigte eine spezielle Erlaubnis, diesen einen zu restaurieren«, erklärte der Biologe. Seine Stimme klang unsicher.
Der Besucher trat entsetzt einen Schritt zurück und starrte in den Tank. Dann sah er den Biologen an.
»Dann muß es ein… aber nein, das würden Sie niemals wagen!«
Der Biologe nickte.
»Doch«, sagte er. »Es ist ein Mensch.«
Der Flüchtling
(Runaway)
William Morrison
»… ein winziger Lichtfleck erschien auf dem Bildschirm und wurde mit furchterregender Geschwindigkeit größer. Energieblitze grellten auf und hüllten das Raumschiff ein, das wild hin und her geworfen wurde. Vergeblich versuchte es zu fliehen. Rogue Rogan preßte die Lippen fest aufeinander. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sein Herz klopfte wild vor Aufregung. Er wußte, was ihm bevorstand. Er wußte, daß der Tag der Vergeltung gekommen war, den er schon so lange gefürchtet hatte. Und dann …«
»Plato!«
Plato sprang auf die Füße und schob das Buch blitzschnell unter die Kissen. Geistesgegenwärtig griff er nach einem Schulbuch und schlug es auf. Er überflog die erstbesten Zeilen, ohne ihren Sinn zu begreifen. Da hatte es Rogue Rogan besser; das wenigstens brauchte er nicht zu fürchten.
In der Tür stand der Lehrer, der für den Schlafsaal verantwortlich war.
»Plato, hast du das Läuten nicht gehört?«
»Läuten?« Platos Augen öffneten sich erstaunt. »Nein, Sir, ich habe nichts gehört. Ich lernte gerade meine Lektion und war so vertieft…« Er schlug das Buch zu und legte es zu den anderen zurück. »Tut mir leid, Sir. Werden Sie mich nun bestrafen?«
Der Lehrer studierte das Gesicht des reuigen Sünders.
»Vielleicht. Aber nun mach deinem Namen Ehre und zeige, daß du klüger bist als die anderen. Ab in die Klasse.«
Plato rannte davon. Immer diese Anspielung auf seinen Namen! Das ging nun schon so, seit er denken konnte. Noch bevor er überhaupt wußte, daß der erste Träger dieses Namens ein berühmter Philosoph gewesen war, hatte man ihn deshalb ausgelacht. »Zeig, daß du klüger bist als die anderen!« Blödsinn! Warum hatte man ihm keinen gewöhnlichen Namen gegeben? Es gab doch genug davon. Jim, Jack, George, Tom, Bill – sie alle waren besser als ausgerechnet Plato. Auf jeden Fall tausendmal besser als der Name, den er oft genug von seinen Mitschülern zu hören bekam: Plato, der spinnende Philosoph.
Leise und unauffällig schlüpfte er in seine Bank, ohne das eintönige Gemurmel des Lehrers auf dem Podium zu unterbrechen. Sie hielten ihn also für einen Spinner und Träumer? Sollten sie ruhig, und sollten sie auch über ihn lachen. Er war jetzt erst zehn Jahre alt, aber eines Tages würde er ein richtiger Mann sein, und dann würde er es ihnen schon zeigen. Er würde kein erfundener Held sein wie dieser Comets Carter, der fremde Sonnensysteme besuchte und Piraten jagte, die sich in den Weiten des interstellaren Raumes versteckt hielten.
Eines Tages … und im gleichen Augenblick kam ihm ein Gedanke, der wie Feuer brannte und ihm keine Ruhe mehr ließ: Warum nicht gleich?
Ja, warum eigentlich nicht? Er war klug und würde schon auf sich aufpassen. Selbst seine Lehrer mußten zugeben, daß er nicht gerade dumm war, abgesehen von seiner ständigen Träumerei. Er entsann sich des Tages, an dem ein Raumschiffmodell in die Schule gebracht wurde. Ein pensionierter Astrogator erklärte den Schülern, wie das Ding funktionierte und wie man es steuern mußte, um Zusammenstöße mit Meteoren zu vermeiden. Plato hatte sich hinter die Kontrollen setzen dürfen, und selbst der Astrogator hatte Überraschung gezeigt, als er sah, mit welcher Sicherheit der Junge einen Flug simulierte.
Im wirklichen Leben, dachte Plato, würde er genauso sicher sein. Er war fest davon überzeugt. Sollten sie ihn doch vor richtige Probleme stellen, statt immer so dumm zu fragen, was die Wurzel von siebentausend war oder wer den dritten Mond des Mars entdeckte. Er würde es ihnen dann schon zeigen.
»…
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