Heyne Galaxy 10
Ich weiß nicht, wie er auf einen Fremden reagiert.«
Valdosto war ein großer Mann Ende Vierzig mit dunklem Lockenhaar und ausgesprochen breiten Schultern. Im Sitzen wirkte er noch stämmiger als Jim Barrett, was einiges heißen wollte. Doch im Stehen wurde der Gesamteindruck durch seine unnatürlich kurzen Beine verdorben, die unter seinem gewaltigen Oberkörper deplaziert wirkten.
Im Augenblick lag er angeschnallt auf seinem Schaumgummilager. Auf seiner hohen Stirn stand der Schweiß, und seine Augen glitzerten in der Dunkelheit. Er war sehr krank. Vor langer, langer Zeit war er einmal geschickt genug gewesen, bei einer Sitzung des Syndikatsrates eine Bombe zur Explosion zu bringen, die einigen der Anwesenden schwere Gammaverbrennungen beigebracht hatte, aber jetzt vermochte er sich kaum noch zurechtzufinden.
Barrett lehnte sich über ihn und fragte leise: »Wie geht es dir, Bruce?«
»Wer ist da?«
»Jim. Es ist eine schöne Nacht draußen, Bruce. Würdest du gern mal mit 'rauskommen und etwas frische Luft schnappen? Es ist fast Vollmond.«
»Ich muß mich ausruhen. Das Komitee hat morgen Sitzung, um über die neuesten Entwicklungen …«
»Das Treffen ist verschoben worden.«
»Aber wie ist das möglich? Die Revolution …«
»Ist ebenfalls auf unbestimmte Zeit verschoben.«
»Werden dann die Gefängnisse geleert?« fragte Valdosto mit harter Stimme.
»Das wissen wir noch nicht. Wir warten noch auf unsere Befehle. Komm mit nach draußen, Bruce. Die Luft wird dir guttun.«
Murmelnd ließ Valdosto es zu, daß man ihn losband. Quesada und Barrett zerrten ihn von seinem Lager und schoben ihn durch die Hüttentür ins Freie.
Hahn hielt sich im Hintergrund; auf seinem Gesicht malte sich Entsetzen.
Barrett deutete nach oben: »Der Mond hat hier eine schöne Farbe, Bruce. Er ist nicht so tot wie Oben, Bruce. Und schau mal hier. Die See bricht sich an den Felsen. Rüdiger ist da draußen und fischt. Ich kann sein Boot im Mondschein deutlich sehen.«
»Schellfisch!« sagte Valdosto. »Vielleicht fängt er etwas Schellfisch!«
»Es gibt hier keinen Schellfisch, Bruce.« Barrett griff in die Tasche und holte einen eckigen, etwa fünf Zentimeter langen Gegenstand hervor, den er Valdosto hinhielt – einen kleinen Trilobiten. Doch der Kranke schüttelte nur den Kopf.
»Die schielende Krabbe will ich nicht.«
»Das ist ein Trilobit, Bruce. Eine ausgestorbene Rasse. Aber wir sind auch ausgestorben. Wir leben zwei Milliarden Jahre in unserer eigenen Vergangenheit.«
»Du bist ja verrückt«, sagte Valdosto mit leiser, ruhiger Stimme, die über seine flackernden Augen hinwegtäuschte. Er riß Barrett den Trilobiten aus der Hand und schleuderte ihn von sich.
»Schielende Krabbe!« wiederholte er.
Quesada schüttelte traurig den Kopf und führte den Kranken wieder in seine Hütte. Valdosto protestierte nicht, als ihn der Mediziner zu Bett brachte und ihm ein Betäubungsmittel einspritzte.
Sein müder Geist, der sich beharrlich gegen die entsetzliche Vorstellung auflehnte, er sei in eine ferne Vergangenheit verbannt, hieß den Schlaf willkommen.
Hahn hatte sich nach dem Trilobiten gebückt. Als die beiden Männer jetzt wieder zu ihm traten, wollte er Barrett das kleine Tier zurückgeben. Doch der winkte ab.
»Du kannst es behalten«, brummte er. »Wir haben noch mehr davon.«
Hahn betrachtete das kleine Ding mit offener Bewunderung.
Langsam setzten sie ihren Rundgang fort, wobei sie schließlich auf Ned Altman stießen, der neben seiner Hütte auf dem Boden kniete und ein ungefüges Etwas bearbeitete, das entfernt an die Gestalt einer Frau erinnerte. Bei der Annäherung seiner Besucher erhob sich Altman.
Er war ein sauberer kleiner Mann mit gelbem Haar und fast unsichtbaren weißen Augenbrauen. Im Gegensatz zu fast allen Verbannten hier im Lager hatte er eine hohe Regierungsstellung innegehabt, ehe er schließlich den Mythos des Syndikats-Kapitalismus durchschaute und sich einer der Untergrundbewegungen anschloß. Die acht Jahre, die er hier im Lager verbracht hatte, waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen.
Altman deutete auf seinen Golem und sagte: »Ich hatte gehofft, daß es bei dem Regen heute etwas blitzen würde, denn das fehlt mir noch, müßt ihr wissen. Aber in dieser Jahreszeit blitzt es nicht oft. Wenn sie erst lebt, brauche ich deine Hilfe, Doc. Dann mußt du ihr Spritzen geben und ihr die Figur etwas korrigieren, ja?«
Quesada quälte sich ein Lächeln ab. »Würde ich nur zu gern
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