Heyne Galaxy 10
Rüdiger war nach Barretts Unfall im letzten Jahr eine besondere Hilfe gewesen; trotzdem wollte Barrett diesen Mann im Lager behalten.
Er brauchte zwar geeignete und fähige Männer für die Expedition, aber dem Lager war nicht damit geholfen, daß schließlich nur noch Invaliden und Verrückte zurückblieben. Dafür setzte er zwei von Rüdigers Bootskameraden auf die Liste, und auch Sid Hutchett und Aryn Jean-Claude.
Barrett überlegte weiter, ob er Don Latimer ebenfalls für die Expedition bestimmen sollte. Latimer hatte sich in letzter Zeit zu einer Art Krankenfall entwickelt, obwohl er sich eigentlich recht normal und aufgeschlossen zeigte, wenn er nicht gerade in seine psionischen Meditationen versunken war. Er würde während der Expedition sicher seinen Mann stehen. Andererseits wohnte Latimer mit Lew Hahn zusammen, und Barrett hätte es gern gesehen, wenn Hahn in seiner ersten Zeit etwas unter Aufsicht gewesen wäre. Einen kurzen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, sowohl Latimer als auch Hahn auf die Reise zu schicken, aber dafür war Hahn ein noch zu unbekannter Faktor. In diesem Jahr war es noch zu riskant, ihn für die Inlandsexpedition einzuteilen. Es war sicherlich möglich, ihn für die Gruppe im nächsten Frühjahr vorzusehen.
Schließlich hatte Barrett das Dutzend voll und machte sich daran, die Namen der Ausgewählten auf die Tafel vor dem Hauptgebäude zu schreiben. Anschließend trat er in den Gemeinschaftsraum und teilte Charley Norton mit, daß er die Leitung der Expedition zu übernehmen hätte.
Es war ein seltsames Gefühl, zu Hause bleiben zu müssen, während die anderen loszogen. Es war ein Eingeständnis seiner Schwäche, nachdem er dieses Lager so lange geleitet hatte. Er war nichts anderes als ein alter Krüppel, ob ihm dieser Gedanke gefiel oder nicht, und je eher er sich damit abfand, desto besser.
Am frühen Nachmittag hielten die Expeditionsteilnehmer eine erste Versammlung ab und begannen ihre Ausrüstung zusammenzustellen und die genaue Wanderroute festzulegen. Barrett blieb dem Treffen fern, denn hier hatte allein Charley Norton zu bestimmen, nicht er. Charley hatte schon an acht oder zehn Expeditionen teilgenommen und wußte genau Bescheid. Barrett wollte sich nicht einmischen.
Dafür bereitete es ihm fast masochistisches Vergnügen, sich heute nachmittag eine eigene kleine Expedition vorzunehmen. Wenn er schon den Inlandsee nicht besuchen konnte, so wollte er wenigstens den Atlantik sehen, der praktisch gleich nebenan begann.
Barrett warf einen Blick ins Krankenrevier und versorgte sich, da Quesada abwesend war, mit einem Nervenberuhigungsmittel. Dann schlug er den Pfad nach Osten ein, und als er einige hundert Meter zwischen sich und das Hauptgebäude gelegt hatte, hielt er inne und gab sich hastig eine Injektion in die Oberschenkel. Auf diese Weise hoffte er seinen ausgedehnten Spaziergang überstehen zu können, ohne sofort von seinen überanstrengten Muskeln gepeinigt zu werden. Er wußte, daß er später für diese Erleichterung leiden mußte, wenn die Wirkung des Mittels nachließ und sich die Anstrengung doppelt und dreifach bemerkbar machte. Aber das war ihm die Sache wert.
Der Weg zum Wasser war lang und beschwerlich, denn das Lager lag zweihundertfünfzig Meter über dem Meeresspiegel. In den ersten Jahren hatte man den Ozean nur über einen gefährlichen Kletterpfad erreichen können, ehe dann Barrett ein Zehnjahresprogramm aufstellte und einen gangbaren Weg in die Felsen hauen ließ. Jetzt führten breite und relativ bequeme Stufen direkt bis ans Wasser. Die Männer waren jahrelang mit dem Bau dieser Treppe beschäftigt gewesen, und die harte Arbeit hatte manchen Lagerinsassen vor dem Wahnsinn bewahrt. Barrett bedauerte, daß ihm kein ähnliches neues Projekt einfallen wollte, mit dem er die Leute wieder hätte beschäftigen können.
Die Stufen wanden sich in Serpentinen an der Steilküste abwärts, und auch für einen gesunden Mann war der Abstieg noch ziemlich anstrengend, vom späteren Aufstieg ganz zu schweigen. In Barretts Zustand war eine Bewältigung des Weges eigentlich undenkbar, und so brauchte er auch fast zwei Stunden für eine Strecke, die ein gesunder Mann in dreißig Minuten bewältigt hätte. Als er schließlich unten angekommen war, sank er erschöpft auf einen bereits vom Wasser umspülten Felsen und ließ seine Krücke zu Boden fallen. Die Finger seiner linken Hand waren verkrampft vom festen Griff um die Krücke. Er war in Schweiß
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