High Fidelity (German Edition)
Sachen wie ich. Die fünf Lieblingsbands/-Musiker aller Zeiten: Madness, Eurythmics, Bob Dylan, Joni Mitchell, Bob Marley. Die fünf Lieblingsfilme aller Zeiten: National Velvet, Diva (hey!), Gandhi, Vermißt, Wuthering Heights.
Und sie war trübselig, im ursprünglichen Sinne des Wortes. Sie war ein paar Jahre zuvor von einer Art männlichem Gegenstück zu Charlie abserviert worden, ein Typ namens Michael, der irgendwas bei der BBC werden wollte. (Er schaffte es nie, der Flachwichser, und jeder Tag, den wir ihn nicht im Fernsehen sahen oder im Radio hörten, war uns ein stiller Triumph.) Er war ihr Schlüsselerlebnis, so wie Charlie meins war, und als sie sich trennten, hatte Sarah den Männern eine Zeitlang abgeschworen, so wie ich den Frauen abgeschworen hatte. Es war naheliegend, gemeinsam abzuschwören, unseren Abscheu vor dem anderen Geschlecht zusammenzuschmeißen und gleichzeitig das Bett mit jemandem teilen zu können. Unsere Freunde waren alles Paare, unsere Karrieren schienen unumstößlich festzustehen, wir hatten Angst, für den Rest unseres Lebens allein zu sein. Nur Menschen mit ganz besonderer Veranlagung haben mit sechsundzwanzig Angst davor, für den Rest ihres Lebens allein zu bleiben; wir waren so veranlagt. Uns kam es immer vor, als sei es schon fünf vor zwölf, und nach ein paar Monaten zog sie bei mir ein.
Wir konnten keinen Raum mit Leben füllen. Ich meine nicht, daß wir nicht genug Krempel gehabt hätten: Sie hatte Berge von Büchern (sie war Englischlehrerin), ich hatte Hunderte von Platten, und die Wohnung war ziemlich winzig – ich habe über zehn Jahre hier gewohnt und mich meistens wie ein Zeichentrickhund in seiner Hundehütte gefühlt. Ich meine damit, keiner von uns schien laut oder energisch genug zu sein, so daß mir – während wir zusammen waren – bewußt war, daß der einzige Raum, den wir ausfüllten, der war, den unsere Körper einnahmen. Anders als andere Paare hatten wir keinerlei Ausstrahlung.
Manchmal versuchten wir es, wenn wir mit anderen Leuten ausgingen, die noch ruhiger waren als wir. Wir haben niemals darüber gesprochen, warum wir plötzlich schriller und lauter wurden, aber ich bin sicher, wir wußten beide, daß es so war. Wir taten es, um die Tatsache zu kompensieren, daß die Party woanders stattfand, daß sich irgendwo Michael und Charlie mit aufregenderen Leuten als uns amüsierten, und auf den Putz hauen war so etwas wie eine verzweifelte Geste, ein vergebliches aber notwendiges letztes Aufbäumen. (Du kannst das überall beobachten: junge Mittelschichtmenschen, die bereits von ihrem Leben enttäuscht sind und zuviel Lärm in Restaurants, Clubs und Wine Bars machen. »Seht her! Ich bin nicht so langweilig, wie ihr denkt! Ich weiß, wie man sich amüsiert!« Tragisch. Ich bin froh, daß ich gelernt habe, zu Hause zu schmollen.) Unsere Vernunftehe war so zynisch und zu beiderseitigem Vorteil wie jede andere, und ich glaubte wirklich, ich könnte mein ganzes Leben mit ihr verbringen. Ich hätte nichts dagegen gehabt. Sie war okay.
Da gibt es einen Witz, den ich mal in einer Sitcom gesehen habe – Man About the House › Anmerkung vielleicht? –, ein fürchterlich unkorrekter Witz, in dem ein Typ ein extrem fettes Mädchen mit Brille abends ausführt, sie betrunken macht und ihr auf die Pelle rückt, als er sie nach Hause bringt. »Ich bin nicht diese Art Mädchen!« kreischt sie. Er starrt sie verblüfft an. »Aber … aber das mußt du sein«, meint der Kerl. Das brachte mich zum Lachen, als ich sechzehn war, aber ich habe nicht mehr daran gedacht, bis Sarah mir erklärte, sie habe einen anderen kennengelernt. »Aber … aber das kannst du nicht«, wollte ich stammeln. Ich will nicht sagen, daß Sarah reizlos war – war sie nicht, ganz und gar nicht, und dieser andere Typ muß sie ja reizvoll gefunden haben. Ich meine nur, die Tatsache, daß sie einen anderen kennengelernt hatte, widersprach so völlig dem Geist unseres Arrangements. Alles, was uns wirklich verband (unsere gemeinsame Bewunderung für Diva überstand, ehrlich gesagt, nicht mehr als die ersten paar Monate), war, daß wir beide von anderen abserviert worden waren und daß wir alles in allem gegen das Abservieren waren – wir waren leidenschaftliche Antiabservierer. Wie also kam es, daß ich abserviert wurde?
Ich war natürlich weltfremd. Man lebt immer mit dem Risiko, jeden zu verlieren, der es wert ist, mit ihm zusammenzusein, es sei denn, man ist so von Verlustangst beherrscht,
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