High Heels im Hühnerstall
»wenn wir eine stabile Beziehung hätten, wenn wir zu jenen Paaren zählen würden, die heiraten sollen, dann wäre das alles nicht passiert, oder? Du hättest mich nicht von dem, was sich zwischen dir und Seth und dieser verfluchten Wendy-Frau abgespielt hat, ausgeschlossen. Ich wäre nicht bei der erstbesten Gelegenheit nach London davongelaufen und hätte nicht im Traum daran gedacht, Jake zu küssen …«
»Und diesen Jake auch noch richtig zu küssen«, fügte Louis ein wenig finster hinzu.
»Und wenn wir nicht so sehr in unserer Seifenblase gesteckt hätten und so verliebt gewesen wären und gedacht hätten, dass uns die ganze Welt gehört, dann wäre ich vielleicht nicht ungewollt schwanger geworden.«
»Du bist nicht die erste Frau, der das passiert ist«, erklärte ihr Louis. »Es ist ja nicht so, als wärst du ein alleinstehender Teenager, und als wäre der Vater nicht zur Stelle …« Louis verstummte, weil er offenbar an Wendy dachte, eine Tatsache, die sogleich Sophies Eiferssucht entfachte. Denn genau in diesem Augenblick wollte sie nicht, dass seine Gedanken auch nur eine Sekunde von ihr abschweiften.
»Genau genommen war seit dem Moment, als ich das mit der Schwangerschaft herausgefunden habe, kein Vater zur Stelle«, erwiderte sie scharf. »Ich musste damit allein klarkommen, Louis. Wir waren auf uns allein gestellt, weil du nicht da warst.«
»Ich weiß, aber Sophie – du bist zuerst gegangen. Als du davongelaufen bist, wusste ich nicht, was ich davon halten sollte.«
Sophie schwieg einen Augenblick. »Du hast recht. Das war ein Fehler. Ich habe dich und die Mädchen im Stich gelassen, und das tut mir leid. Ich hätte dir sagen müssen, was ich fühle, aber es hatte den Anschein, als könnte man mit dir unmöglich reden.«
»Ich weiß, aber ich war in letzter Zeit zum Zerreißen angespannt. Ich habe versucht, das Richtige zu tun, und habe am Ende alles falsch gemacht. Ich hätte in Bezug auf Seth auf dich hören müssen, vor allem, dass ich den Mädchen von ihm erzählen muss, und ich hätte dich nicht ausgrenzen dürfen. Aber ich konnte ihn und Wendy auch nicht ignorieren, oder? Du hast es mir erzählt. Du hast gesagt, dass ich meinen Sohn kennenlernen sollte, und du hattest recht. Du musst doch erkennen, dass ich alle diese Fehler nicht etwa deshalb gemacht habe, weil ich ein Feigling war und davongelaufen bin. Ich habe sie gemacht, weil ich alles richtig hinbekommen wollte. Ich wollte alles in Ordnung bringen, bevor du und ich in die Ehe starten. Und überhaupt«, fuhr Louis fort, »natürlich haben wir in einer Seifenblase der Liebe gesteckt, das ist doch ganz normal, wenn man verliebt ist, oder etwa nicht? Glücklich sein, die Freude erleben, mit jemandem zusammen zu sein, der so gut zu dir passt und der Richtige ist.« Louis fasste Sophie am Handgelenk, als sie aufstand, um ihre Jeans zuzuknöpfen. Er zog sie an sich und fuhr mit den Fingern der freien Hand durch ihr Haar.
»Du machst mich so glücklich, glücklicher als je zuvor«, sagte er. »Ich dachte, ich würde dich auch glücklich machen.«
»Das stimmt«, bestätigte Sophie. »Meistens. Ich war nie glücklicher, aber es sollte nicht auf Kosten aller anderen gehen.«
»Was meinst du damit?«, fragte Louis.
»Wir dachten, weil wir glücklich sind, wären das alle anderen auch – aber das sind sie nicht. Die Mädchen sind nicht glücklich. Ja, im Alltag sind sie okay, aber tief im Inneren sind sie über den Verlust von Carrie und das Trauma, das sie erlebt haben, noch nicht hinweggekommen, wie sollten sie auch? Ihre Mutter ist gestorben. Wie konnten wir Carrie nur so im Stich lassen? Du hast Bella gesehen, als sie dachte, du würdest sie verlassen. Sie fühlt sich nicht sicher und geborgen, Louis. Sie glaubt immer noch, du könntest sie jeden Augenblick im Stich lassen. Und wusstest du, dass Izzy, wenn sie Angst oder Sorgen hat, das kaschiert, indem sie herumkichert und albern ist? Das wusste ich nicht, ich hatte keine Ahnung, bis Bella es Seth oben am Rand des Kliffs erzählt hat, einem Menschen, den sie kaum kennt. Das hat sie ihm erzählt, nicht dir oder mir, und wenn ich jetzt darüber nachdenke, ergibt das absolut Sinn. Die kleine, heitere Izzy, die selbst in der dunkelsten Stunde immer so lustig ist, aber das stimmt gar nicht. Sie hat nichts anderes versucht, als sich die schlimmen Dinge vom Leib zu halten. Keiner von uns hat das bemerkt. Weil wir es nicht bemerken wollten. Wir wollten nicht mit der Realität
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