Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Amen.«
»Amen.«
Der Henker verband ihm die Augen und legte ihm den Strick um den Hals. Die Schlinge lastete, genau wie seine Trauer, schwer auf seinen Schultern und zog sich zu. Er schluckte und hielt den Kopf hoch erhoben. Nur nicht schwach werden, nicht zulassen, dass ihm die Knie weich wurden. Er war Alasdair Cailean MacDhòmhnuill, und er würde bis zum Ende aufrecht stehen und sich seinem Schicksal stellen. So hätte es sein Vater gewollt, darauf wäre er stolz gewesen.
Trommelwirbel …
»Trinkt das«, befahl die junge Élise und reichte ihr eine dampfende Tasse mit einem Aufguss aus Bilsenkraut und Hundskamille. »Das wird Euch guttun.«
Isabelle warf ihrer Zofe einen vernichtenden Blick zu. Am liebsten hätte sie dieser dummen Gans die hervorquellenden, blau unterlaufenen Augen herausgerissen! Wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie allen, die sie in diesem Moment umstanden, die Augen ausgekratzt. Doch eine heftige Wehe kam, und sie konzentrierte sich auf den Schmerz, diese Pein, die sie nun seit fast zwanzig Stunden unablässig quälte.
In einer Ecke stand die kleine Marie und sah sie ängstlich an. Das Indianermädchen rührte sich nicht, als sie angesprochen wurde. Sie hatte schon mehrere Entbindungen miterlebt, aber diese hier…
»Leg noch ein Scheit aufs Feuer!«, befahl ihr die Hebamme barsch und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Dann geh in die Küche, und setz noch einen Topf Wasser auf!«
Marie legte ein Scheit Ahornholz in den Kamin. Dann fuhr sie zurück, stieß sich an der Kommode und rannte aus dem überheizten Zimmer. Als die Hebamme sah, dass das Mädchen ihre Anweisung befolgt hatte und die Wehe der Gebärenden vorüber war, seufzte sie laut und versenkte erneut ihre dick eingefettete Hand zwischen Isabelles Beinen. Diese stieß einen entsetzlichen Schrei aus. Madeleine, die leichenblass war, biss sich auf die Lippen, damit sie es ihr nicht nachtat.
»Nehmt Eure dreckigen Pfoten weg!«, kreischte Isabelle und wand sich vor Schmerzen.
»Das Kleine liegt mit dem Steiß voran, Madame. Wir müssen es drehen!«
»Aber das versucht Ihr nun schon seit drei Stunden«, schaltete sich Madeleine ein, die nicht mehr zusehen konnte, wie ihre Cousine litt.
»Ich muss seine Beine an die richtige Stelle bringen! Schreibt mir nicht vor, wie ich meine Arbeit zu tun haben, Madame!«
Kurz darauf zog sie mit zufriedener Miene ihre blutige Hand hervor und drückte dann auf Isabelles Leib, um den Körper des Kindes in der gewünschten Position zu halten.
»So!«, meinte sie und seufzte erneut. »Entweder es kommt jetzt heraus oder nicht. Wir werden sehen. Das Becken der Kleinen ist ziemlich eng!«
Isabelle biss in das bereits nasse Laken und schloss die Augen, um die entsetzlichen Bilder, die auf sie einstürmten, nicht sehen zu müssen.
»Nein!«, schluchzte sie. »Schneidet mein Kind nicht in Stücke … Ich will mit ihm sterben … Oh, Mado, lass das nicht zu … Nicht so wie bei Françoises Kind …«
Madeleine tupfte Isabelle die schweißüberströmte Stirn ab und flüsterte ihr begütigende Worte zu, obwohl sie selbst genau so entsetzt war wie ihre Cousine. Sie warf der Hebamme einen Blick zu, um zu erraten, wie die Aussichten standen. Doch die Matrone hatte genug damit zu tun, alles zu unternehmen, damit das Kind geboren werden konnte. Eine weitere Wehe kündigte sich an, und Isabelle grub stöhnend die Fingernägel in Madeleines bereits stark malträtierten Arm.
»Es ist gut, Ihr könnt pressen! Richtig… Weiter… Ich kann es schon sehen… Ja, noch ein bisschen…«
»Dreckiger Schotte!«, schrie Isabelle und ließ sich schwer zurück auf ihr Schlachtfeld fallen. »In der Hölle sollst du verfaulen, Alexander!«
Coll hockte in einer Ecke, barg den Kopf in den Händen und weinte lautlos. Die Trommeln hallten von den Steinmauern des Marktplatzes wider, und die Aufregung der Menge, die gekommen war, um der Hinrichtung seines Bruders beizuwohnen, stach ihm ins Herz. Er hatte nicht die Kraft, aufzustehen und zuzuschauen. Wie sollte er das seinem Vater beibringen? Wie sollte er John davon erzählen, falls er ihn fand?
Marions Porträt lag auf seinen Knien. Traurig und glücklich zugleich sah sie ihn an. Ihre Mutter würde endlich den Sohn wiedersehen, um den sie so viel geweint hatte … Coll hatte Alexanders Brief gelesen. Sein Bruder hatte sein ganzes Leben lang geglaubt, sein Zwilling habe ihn umbringen wollen! Das war unvorstellbar! So etwas hätte John nie
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