Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
schreckliche Entscheidung getroffen, den Ozean zu überqueren, obwohl er wusste, dass dann seine sterblichen Überreste niemals auf der Eilean Munde ruhen würden, neben seiner Frau.
Isabelle wurde sich mit einem Mal bewusst, dass Alexander sie ansah. Sie trat zu ihm. Gemeinsam gingen sie ein paar Schritte. Hand in Hand wateten sie durch das Wasser und schwiegen lange. Sie lauschten dem Knattern von Isabelles Röcken im Wind und den lauten Stimmen der Fischer, die von einer Pinasse aus ans Ufer drangen. Alexander wirkte gelassen, litt jedoch immer noch unter dem erst kurz zurückliegenden Tod seines Vaters.
Drei Wochen lag ihre Hochzeit jetzt zurück. Eines Tages hatte Coll, der seinem Vater seinen kleinen Morgentrunk bringen wollte, den alten Herrn friedlich und heiter in seinem Bett vorgefunden. Er war im Schlaf gestorben; ein sanfter Tod. Für die Beisetzung hatte Alexander ein Stück Stoff von Duncans Plaid abgetrennt und daraus einen Kilt für Gabriel hergestellt. Er hatte seinem Sohn erklärt, welche Bedeutung dieses Kleidungsstück für die Highlander hatte und betont, dass es nur von Männern getragen wurde.
Der Knabe hatte sich gesträubt; er wollte keinen Rock anziehen. Alexander war furchtbar enttäuscht gewesen, hatte aber nicht darauf bestanden. Doch am Morgen der Beerdigung, die auf dem Kirchhof der Gemeinde Saint-Laurent stattfinden sollte, war Gabriel im Kilt zum Frühstück erschienen und hatte das gälische Gebet, das sein Vater ihm vorsprach, wiederholt, wobei er sich große Mühe gab, die Worte richtig auszusprechen, obwohl er ihre Bedeutung noch nicht ganz verstand.
So schloss sich der Kreis der ewigen Wiederkehr, in dem der Mensch gefangen war. Doch andererseits zweifelte Isabelle keinen Moment daran, dass ihr Mann seinem eigenen freien Willen folgte.
»Woran denkst du, Alex?«
Alexander verhielt den Schritt, hob den Kopf und bot sein Gesicht der sanften Wärme der untergehenden Sonne dar. Mit halb geschlossenen Augen sog er den feuchten Duft des Flusses ein. Wenn die Zeit in diesem Sekundenbruchteil stehen bleiben würde, sagte er sich, wäre er glücklich. Er bedauerte nichts mehr und begehrte nichts weiter als das, was er bereits besaß. Was konnte man sich Bessres wünschen? Vielleicht, dass es nie wieder Krieg geben würde? Gewiss. Aber trotzdem würde es immer Kriege geben. Der Frieden war nur ein Zwischenspiel. Die Menschen schrieben ihre Geschichte mit Blut.
»Ich dachte … an den Frieden, diese Utopie.«
Isabelle sah in die Ferne, in Richtung Meer, und seufzte. Ihre Locken wehten in der Abendbrise und vertrieben die wenigen Mücken, die ihr frech ums Ohr summten.
»Ewiger Frieden … Glaubst du wirklich, dass so etwas möglich ist?«
»Wenn wenigstens alle Menschen sich danach sehnen würden, a ghràidh … Aber der Frieden macht nur das Herz reich und füllt nicht die Geldbeutel. Deswegen wage ich nur, davon zu träumen.«
»Das ist immerhin ein Anfang, oder? Nur wer an seine Träume glaubt, kann sie verwirklichen.«
Er sah sie aus seinen Augen an, die ebenso klar und blau wie der Himmel waren, und verzog den Mund zu einem eigenartigen Lächeln.
»Stammt das von deinem Jean-Jacques Rousseau?«
»Nein, von einer gewissen Isabelle Macdonald!«
»Hmmm … eine kultivierte Frau mit einem noblen Geist!«
Alexander streckte die Hand nach dem glückstrahlenden Gesicht seiner Frau aus und liebkoste ihre rundliche Wange. Doch dann breitete sich langsam Verbitterung auf seinen Zügen aus, und er seufzte.
»Ich würde wirklich gern daran glauben, Isabelle. Aber das Leben hat mich gelehrt, dass es nicht immer ausreicht, seinen Traum verwirklichen zu wollen. Woher der Wind auch weht, er trägt den Geruch des Krieges heran. Und die einfachen Menschen sind immer die Verlierer, ob in den Highlands oder anderswo, und ganz gleich, auf welcher Seite sie stehen. Wenn die Kadaver zu sehr stinken, wenden sich die Fürsten des Krieges in ihren blut- und schlammbespritzten Stiefeln ab, um andere Orte zu besudeln. Das Volk bleibt allein zurück und kann nur darauf warten, dass die Aasgeier, die jedem Feldzug folgen, alles reinigen. Doch tief in ihrem Herzen überdauern Verzweiflung, Hass und Rachedurst, die einzige Nahrung der Überlebenden.«
»Hast du das nach Culloden so empfunden?«
»Hmmm … Weißt du, Verzweiflung und Hass bringen Menschen manchmal dazu, furchtbare Taten zu begehen …«
Er unterbrach sich, als sei mit einem Mal ein Bild vor sein inneres Auge getreten, und
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