Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
setzte ein freundliches Lächeln auf, um seinen Aufruhr zu verbergen. Mit neuer Kraft richtete Duncan sich auf und lachte leise.
»Ich bin schon immer der Meinung gewesen, dass es für meine alten Knochen nichts Besseres gibt als ein paar dram usquebaugh ! Außerdem habe ich hier Enkelkinder, die zu sehen ich nicht abwarten kann. Der Duft des Gebäcks, das die freundliche Maddy aus dem Ofen gezogen hat, wird sie sicher bald in die Küche locken. Hilf mir auf; ich möchte da sein, um sie zu begrüßen.«
Isabelle saß auf einem angeschwemmten Baumstamm, den die Strömung glattgeschliffen hatte, und beobachtete Alexander, der mit nackten Füßen durch das niedrige Wasser am Flussufer von Beaumont ging. Mit dem auflaufenden Wasser ergriffen die ruhigen Fluten langsam wieder Besitz von ihrem Reich und plätscherten leise um das Treibgut herum. Ein Schwarm kreischender Möwen glitt in einem gelblichen Licht dahin, das nach und nach orange- und magentafarbene Nuancen annahm.
Er ging langsam und blieb häufig stehen, um die Landschaft zu betrachten. Der Wind fuhr in sein sorgfältig über seine Brust drapiertes Plaid und ließ sein ergrauendes Haar flattern. Mit dem auf den Rücken gelegten Arm und der leicht nach vorn gebeugten Haltung und mit seinem Stock aus kräftigem Eichenholz, in den er wunderbar verschlungene keltische Motive zu schnitzen begonnen hatte, ähnelte er seinem Vater. Ja, die Blutsbande … An Gabriel ließ sich schon jetzt hin und wieder die gleiche Haltung feststellen.
Durch die Versöhnung mit seinem Vater hatte Alexander die schwere Last abgeworfen, die er seit seiner Kindheit getragen und die seine Seele immer stärker gequält hatte. So hatte er den Kreis geschlossen. Er hatte das Erbe seines Volkes angenommen und gab es weiter.
Ob tatsächlich ein Fluch auf den Highlandern lag? Wenn ja, mochte Gott ihre Kinder davor bewahren! Alexander hatte ihr davon erzählt, wie die Engländer nach der Niederlage von Culloden sein Volk durch ihre Strafaktionen in tiefstes Elend gestürzt hatten. Die Soldaten hatten die Menschen gejagt und niedergemacht wie wilde Tiere. Frauen und Kinder blieben allein und mittellos zurück und verhungerten oder erfroren. Den Rest hatte Duncan berichtet. Wie Alexander immer befürchtet hatte, hatte Culloden den Niedergang des Clansystems in den Highlands eingeläutet.
Nach den Verfolgungen bemühte sich die britische Regierung jetzt, das von ihr verachtete Volk auf heimtückischere Weise zu vernichten. Sie hatten die Clans ihrer Krieger beraubt; jetzt gingen sie dazu über, die Chiefs zu anglisieren. Letztere zogen häufig eine Militärkarriere in der britischen Armee dem Elend vor, das auf ihren Ländereien herrschte. Da die Obrigkeit es untersagt hatte, die gälische Sprache in ihrer schriftlichen Form zu lehren, wuchs unter den Bauern, die kein Englisch sprachen, eine Generation von Analphabeten heran, die dadurch noch isolierter lebte als die ihrer Väter.
Außerdem war nach dem Krieg die Nachfrage nach Rindfleisch stark zurückgegangen, und die Preise waren gefallen. Doch der Viehhandel war einst die hauptsächliche Verdienstquelle der Highlander gewesen. Die Chiefs, die nicht in die britische Armee eingetreten waren, standen vor dem Ruin. Die meisten hatten ihre feuchtkalten Burgen verlassen und die Sitten und die Lebensweise des englischen Adels aus den Lowlands oder England übernommen. Der Kartoffelanbau ernährte zwar ihr Volk, füllte aber ihre Schatullen nicht, sodass sie andere Einkommensquellen suchen mussten. Da die Preise für Wolle und Tang – aus dem durch Verbrennen Pottasche hergestellt wurde – gestiegen waren, zwangen sie die Bauern unter Berufung auf ihre Feudalrechte, die Täler zu verlassen und sich an der Küste niederzulassen. Sie nötigten die Menschen zum Ernten des Seetangs und konnten zugleich in den grünen Hügeln ihre Schafherden weiden lassen.
So begann der Exodus eines ganzen Volkes. Auch Glencoe entging dieser Entwicklung nicht. In der Hoffnung auf ein besseres Leben beschlossen viele Highlander, in die großen Städte im Süden zu ziehen, wo die Industrialisierung ihnen Arbeit verhieß. Andere wanderten wie Coll mit nichts als ihrem schmalen Besitz und ein wenig Hoffnung in die Kolonien aus. Angus war nach Glasgow zu seiner Schwester Mary gegangen. Von Alexanders Familie lebten jetzt nur noch Duncan Ogs kranke Witwe und ihre Tochter Bessie, die sich um sie kümmerte, in dem Tal. In dieser Lage hatte der alte Macdonald die
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