unregelmäßigen Abständen ein Lachen. »Du machst doch weiter so?«
»Ich weiß es nicht mehr.«
»Ach«, sagt Karola. »Dann kannst du ja doch mit Jan mit. Bis das mit Frau König geklärt ist.«
Till schaut Jan an, der eine weitere Zigarette aus der Schachtel angelt.
»Dann stören wir mal nicht weiter«, sagt Karola und verlässt mit Oskar das Zimmer.
Eine lange Zeit schweigen sich die beiden an, Till hat sich gesetzt und kippelt mit dem Stuhl, Jan lehnt an der Tischplatte.
»Habt ihr über mich geredet?«, fragt Till seinen Freund.
»Jetzt machen wir uns schon langsam Sorgen.«
»Und zu welchem Entschluss seid ihr gekommen?«
Jan denkt einen Moment nach: »Das musst du selbst wissen.«
»Was muss ich wissen?«
»Was du machst.«
Till schaut ihn lange an. »Du gehst?«, fragt Till.
Jan nickt, reicht Till eine Zigarette.
»Oskars Route?«
»Y ap, Oskars Route. – Wie besprochen.« Jan zögert eine Weile. »Fast wie besprochen. Ich meine, wir hatten ausgemacht, dass wir zusammen die Welt bereisen. Aber jetzt sieht es ja nicht danach aus.«
»Wer weiß«, sagt Till. Jan schaut ihn sehr verwundert an. »Vielleicht komme ich doch mit. Mir fällt eh nichts Besseres ein. Die Decke kracht mir bald auf den Kopf. Vom ganzen Zocken auch, weißt du?« Till deutet mit dem Kopf auf die Bildschirme. »Wenn ich so weitermache, mutiere ich noch zum letzten Nerd. Immer um die gleiche Uhrzeit treffen wir uns, wir sind beinah ein Clan. Das Tapfere Sniperlein ist der Anführer, dann gibt es noch ein schmuckes Mädchen, kommt irgendwie aus Kanada, sie hat tausend Sommersprossen und knallrotes Haar.«
»Woher weißt du das?«
»Sie hat mir ein Bild von sich geschickt. – Die ist gut, die kann den Silent Shot .« Till lacht. »Siehst du, was bald aus mir wird!« Till schaut aus dem Fenster. Auf dem Fensterglas ist sein Spiegelbild erkennbar. Aber er schaut hindurch, als sehe er dahinter noch jemand anderen. »Wann soll’s losgehen?«, fragt Till.
»Morgen«, antwortet Jan.
»Morgen! Und dann kommst du – jetzt!«
»Ich dachte, du kommst nicht mit.«
»Das war doch so ausgemacht!« Till runzelt die Stirn. »Oder willst du alleine reisen?«
Jan drückt die Zigarette aus, schaut auf den Boden. »Kim kommt mit.«
»Ach, noch besser!«
Jan schaut weiter auf den Boden. Dann schaut er ihn an: »Wir sind – Kim und ich sind zusammen.«
10
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30.06.2011 18:12 Uhr
85 tage. kim. wenn ich über mir schwebe, sehe ich mein zimmer da unten nun als meinen körper. die bildschirme wie augen, die ich öffnen und schließen kann, die tür: ein mund. der rechner: das gedächtnis. die wände sind mit bildern behangen, wie ein archiv von all dem, was mich berührt hat. ich bin das herz dieses körpers, ich bin es, der diese bilder macht und an die wand pinnt, der das gedächtnis mit erinnerungen speist, der über diesen raum bestimmt, mauern zieht, gegen wind und wetter.
kim, je länger ich jedoch hier ausharre, desto verschwommener wird dein gesicht. ich suche nach einem foto, aber ich finde keins. ich durchwühle meine übrig gebliebenen sachen, taste die wand nach dir ab. du scheinst nicht zu existieren. was täglich hier eintrifft, sind fotos von jan: jan auf dem sitz eines jet-skis, gischt hinter sich aufwirbelnd, jan am bungeeseil baumelnd, jan mit einer russin im arm. ich aktualisiere und aktualisiere: jan beim aussteigen aus einer propellermaschine, »buddha air«, vor watteartigen nebelfeldern. jan mit einem rucksackturm bepackt, wie er die ausgeklappte leiter hinuntersteigt, in die kamera schaut. vielleicht in deine.
ich lasse alle seiten dieser welt nach dir durchsuchen. das internet ist das weltgedächtnis, die neue chronik der menschheit, aber dich kennt es nicht. alles, was passiert ist, hat sich hier eingeschrieben. alles, was passieren kann, passiert hier. wenn nicht jetzt, dann ein andermal. ich gebe deinen namen ein. es gibt viele kims. ich aktiviere die bildersuche. kim ist hübsch, kim trägt bikini, kim spreizt die beine. du wirkst nicht gerade zurückhaltend, deine brüste zeigen auf glamouröse wände, dein rücken durchgestreckt. ich klicke weiter: du sitzt am strand, blondiertes haar, vögel kreisen am horizont, du siehst sie nicht mit deinen gletscherblauen augen. du ähnelst meiner schwester: du schmollst mit den lippen wie eine ente. ich klicke weiter: du trugst sonnenbrille, du lagst zu lange in der sonne, du hältst die kamera vor dich und drückst ab.