Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)
weggeschafft hat«, sagt sie. Ihre Offenheit macht mich verlegen. Ich finde, Kinder sollten von Eheproblemen nie etwas mitkriegen. Unser Leben ist auch so schon verworren genug.
»Ich gehe nicht heim«, wiederholt sie.
»Willst du ein paar aufgebackene Waffeln, Grandma?«, frage ich.
»Ich auch!«, schreit mein Bruder aus dem anderen Zimmer, und sein Atem vernebelt eine Sekunde lang Rocky, das fliegende Eichhörnchen .
Meine Großmutter faltet ständig eine Serviette auseinander und wieder zusammen und fragt: »Was will er denn mit dem stinkenden Ding?«
»Vielleicht vermisst er es«, sage ich vorsichtig.
»Kann er’s nicht auch vermissen, wenn’s unter der Erde liegt, statt den Cadillac zu versauen?« Ich weiß, dass sie die Frage nicht an mich richtet. Sie tut, als wäre mein Großvater da und sie würde mit ihm reden.
Ich stelle einen Teller Waffeln vor sie hin. »Mit Blaubeeren«, sage ich. »Die sind lecker.«
Mit einem langen, schlanken Finger stochert sie auf dem knusprigen Rand des Gebäcks herum und sieht den Teller finster an. Ihre Miene erinnert mich an meine Empfindungen, als ich neben dem Auto in der Sonne stand und Rufus riechen konnte.
»Der Hund stinkt wirklich«, sage ich.
»Was für ein Hund?«, ruft Andrew. Meine Großmutter schlägt die Hände vors Gesicht und rennt aus der Küche.
»Andrew, lass den Fernseher los«, sagt meine Mutter im Vorbeigehen.
»Nein«, sagt er.
Sie geht weiter und kommt zu mir in die Küche. »Was hat dein Großvater zu deiner Großmutter gesagt? Sie ist außer sich.«
»Er hat gar nichts gesagt.«
»Wann war er denn da?«
»Er war gar nicht da. Mum … gibst du mir …« Aber sie ist schon nach oben verschwunden, um meiner Großmutter zu sagen, dass sie uns keinen Bären aufbinden kann und alles erfunden ist; wer würde schon einen toten Hund behalten? Ich habe keine Chance mehr, sie um Geld zu bitten. Ich bitte sie jeden Morgen um Geld, und wenn sie mir was gibt, setze ich es in möglichst viel Schokolade um. Mein Bruder nimmt das Gesicht vom Fernseher und schaut mich an; seine elektrostatisch aufgeladenen Haare kleben am Bildschirm.
»Andrew, lass den Fernseher los.«
Er rammt die Stirn wieder gegen den Bildschirm. »Nein.«
Ich bin im Garten hinten und versuche, Sit-ups zu machen. Ich schaffe ungefähr drei, dann durchschießt mich ein Schmerz, als risse mir der Bauch auf. Ich halte ihn umklammert und stehe auf. Andrew kommt wieder heraus, mit Augen wie Windräder.
»Was machst du denn da?«, fragt er. Er hofft, ich mache wieder Sit-ups, damit er mich treten kann.
»Mir ist gerade der Bauch geplatzt.« Ich versuche, mich nicht zu bewegen; es könnte ja sein, dass alle meine Eingeweide herausfallen. Ich stelle mir vor, dass sie aussehen wie ins Waschbecken gespuckte Zahnpasta.
»Hat Granddad gesagt, du sollst das machen? Commander Tom ist ein Faschist. Ich habe Blaubeerwaffeln gefrühstückt. Kannst du mit zuem Mund singen? A wie Apfel.«
»Andrew, hol Mum.«
»Das ist nur ein Testbild, ändern Sie nichts an der Einstellung Ihres Indianers. Hast du Die Ausreißerzwillinge gesehen? Ton ab um dreiundzwanzig Uhr«, sagt Andrew, als er ins Haus geht.
»Schnell!«, schreie ich und spüre, wie es noch ein bisschen weiter reißt.
Da enthüllt sich mir die ganze Wahrheit. Mein Großvater hat recht. Ich gehöre gar nicht zu dieser Familie. Im Krankenhaus ist etwas Furchtbares passiert. Langsam ergibt alles einen Sinn. Zum Beispiel, dass die in der Schule immer vergessen, wer ich bin, dabei bin ich schon vier Jahre dort! Ich könnte in Gesundheitserziehung zur Lehrerin vorgehen und mich wiegen lassen, und sie würde sagen: »Freddie oder wie du heißt, du hast abgenommen und bist fünf Zentimeter kleiner geworden! Isst du auch richtig?« Ich wette, ich könnte für jemand anderen eine Klassenarbeit schreiben, und keiner würde es merken. Und sehen nicht alle Babys gleich aus?
Meine Mutter kommt herunter und sieht mich draußen auf dem Gras stehen.
» Ich bin als Baby verwechselt worden, stimmt’s?« , schreie ich.
»Was treibst du denn hier für einen Blödsinn?«, seufzt sie und schiebt mich ins Haus hinein, zum Frühstücken.
»Wo ist denn der Hund geblieben, Granddad?«, frage ich. Andrew steht neben mir am Auto, als Großvater den Motor aufheulen lässt.
»Welcher Hund?«, fragt Andrew und sieht mich an.
»Lieber Himmel! Dieses stinkende Ding!«, brüllt Großvater. »Eines Tages schaue ich mich um und traue meinen Augen nicht. Er war tot
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