Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)
!« Großvater haut aufs Lenkrad.
»Welcher Hund?«, wiederholt Andrew.
»Stimmt was nicht mit dem Jungen?«, fragt Großvater und sieht meinen Bruder scharf an.
»Ich habe zwölf Zähne. Der Himmel ist ein Ort, der mit H anfängt«, sagt Andrew.
»Weißt du was, junger Mann, du bist ein bisschen überspannt. Und deiner Schwester siehst du auch nicht besonders ähnlich.«
»Granddad …« Ich will ihn bremsen.
»Krankenhäuser sind die Hölle, Andrew …«
»Granddad!«
»… und ich glaube, du bist ins falsche Paket gesteckt worden.«
»Ich bin aber der Hauptgewinn!«, sagt Andrew, dennoch wirkt er beunruhigt.
»Sollen wir uns einen Burger genehmigen, Kleiner?«, fragt Granddad, und sie fahren los; Andrew hält sich mit beiden Händen am Armaturenbrett fest und presst das Gesicht gegen die Windschutzscheibe.
II
––––
Bishop und die Aunties
Beliebt ist die Geschichte von den Vögeln. Man stelle sich einen kalten Sommer in Halifax vor, Unruhe treibt die Menschen um, vor allem nachts, und den ganzen Sommer ist ein Brandstifter rastlos am Werk. Lagerhallen brennen, aus Läden wälzt sich Rauch in die Fenster der darüber liegenden Wohnungen, entlang der Ufermauern fangen Hausboote Feuer und treiben davon. Schließlich geht das Vogelgehege Port Haven unten an den Hafenanlagen in Flammen auf. An jenem Abend hat Bishop seinen Truppentransporter verlassen und ist, wie er sagt, auf Landgang; er folgt dem Rauchgeruch bis zu der riesigen Glaskuppel und findet sie von innen von Feuer erleuchtet. Die Schattenrisse von Vögeln, die verzweifelt einen Fluchtweg suchen, klatschen gegen die Scheiben. Die Wipfel der im Glashaus wachsenden Bäume schwanken im dicken, heißen Glast; das überhitzte Glas platzt und prasselt auf die Straße; versengte Tropenvögel fliegen wie Fetzen durch die Nachtluft, liegen zuckend auf dem Gehweg, schlagen beim Aufprall Dellen in Motorhauben.
Andrew und ich lauschen gebannt, als Bishop davon erzählt und die Hände hebt, wie auf das Grauen deutend. Mit gedämpfter Stimme verrät er uns, durch die Luft sei ein leckerer Geruch gezogen.
»Alles Quatsch«, erklärt uns meine Mutter später. »Das hat er nur wieder in einem dieser fürchterlichen Jungs-Bücher gelesen.«
Einmal, an einem lauen Dienstag im Hochsommer, wurde Onkel Bishop in der Nähe seines Hauses am Flussufer angeschwemmt, mehr tot als lebendig. Vielleicht lag es an den Unmengen, die er getrunken hatte; er erinnert sich an nichts als an strahlende Sterne, an vorbeilaufende haushohe Hunde, die ihn anknurrten, an Stimmen aus weiter Ferne – vielleicht die Stimmen von Toten – und an Fische. Die Wellen schoben ihn sachte mit dem Kopf voran in den Uferschlamm; dort lag er rülpsend und zerknirscht, um die Schultern einen Kranz aus schleimigen Wasserpflanzen, Schnur und verrottenden Stofffetzen. Wieder eine Geschichte, die er einmal seinen Enkeln erzählen könnte, dachte er in der Annahme, dass er einmal welche haben, dass er einmal heiraten würde.
Das ist ja das Problem mit ihm. Über die Jahre hat er etliche Frauen gehabt, eine nach der anderen, und jede ließ sich von mir und meinem Bruder »Auntie« nennen, Tantchen. Mein Vater hat von Bishop und seinen verrückten Weibern die Nase ziemlich voll. Das nimmt einfach kein Ende, sagt er. Meiner Mutter ist das egal. Sie meint, Dad solle dankbar sein, dass er keine Schwestern hat.
Dass Bishop sich so betrank, zusammengeschlagen wurde und den Fluss hinuntertrieb, war alles die Schuld der letzten Auntie; mein Vater musste kommen und nach ihm sehen. Die Auntie verließ ihn, nahm fast alles mit, was er besaß, und sagte, sie würde ihm seine Geschichten nicht mehr glauben. Für Bishop ein Schlag ins Gesicht wie kein anderer. Seine Geschichten sind sein Zahlungsmittel, seine Art, sich in der Welt zurechtzufinden. Ich und mein Bruder sind nie auf die Idee gekommen, dass Bishop die Geschichten nur zusammenfantasiert. Unvorstellbar, wie man sich solche Dinge aus den Fingern saugen könnte. Andrew hatte immer ein bisschen Angst vor Bishop. Bishop, der Hundekiller, der Kneipenzertrümmerer, der Schlingenexperte. Mein Vater sagt dazu: »Vielleicht ist nicht alles wahr. Aber wenigstens gut erfunden.«
Da ist die Geschichte, als Bishop in Brasilien war, in eine Bar ging und im Hof als Dekoration ein Teil aus einem verloren gegangenen NASA -Flugkörper fand, der aus der Bahn getragen worden und in den Bergen gelandet war. Der Barkeeper hatte die Maschine auseinandergenommen und
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