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Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Titel: Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gil Adamson
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wie er mit offener Hose dastand. Die beiden Brüder setzten sich im Schein einer Lampe auf die Veranda vor der Küche und atmeten tief die kalte Luft ein, die von den Bergen herabfließt und die Gerüche des Flusses aufleckt. Sie ließen sich auf ihren Stühlen nach unten sacken, hielten ihr Bier im Schoß, schlossen die Augen und hörten dem Heer der Mücken zu, das vor den Fliegengittern summte. Ab und zu drangen die Geräusche eines Tieres aus dem Dunkel, ein großes Tier, das aus der Pfütze schlappte.
    Bishop erzählte von einer Frau, erzählte, wie sie ihm einen Topf an den Kopf geworfen hatte, wie sie früher ausgesehen hatte, vor langer Zeit, und was für hübsche Lieder sie sang, wenn sie glaubte, dass niemand sie hörte. Sie war einmal Nonne gewesen, hatte mit anderen Nonnen in einem Chor gesungen, ein graues Gewand getragen und ziemlich stümperhaft auf der Gitarre herumgeklampft. Aber das alles hatte sie aufgegeben.
    Trotzdem putschte sie sich immer noch gern mit Kaffee und Kirchengesang auf; sie ging heimlich in die Kirche, kam nach Hause wie eine schwingende Stimmgabel und wanderte durch sämtliche Zimmer, eines nach dem anderen, als ob sie etwas suchte. Sie konnte mit ihrer Schulter ein Kunststück machen, konnte das Gelenk so knacken lassen, dass es klang wie ein galoppierendes Pferd, wovor es den anderen Nonnen immer grauste. Sie hatte ein weißes Haar auf dem Kopf, ein einziges, was wiederum Bishop gruselig fand. Sie hatte nicht die üblichen Ängste, zum Beispiel vor Schlangen oder einem Atomkrieg, kreischte aber, wenn eine Glühbirne durchbrannte und sie plötzlich im Dunkeln saß. Das betrachtete sie als Unheil verkündende Botschaft.
    Diese spezielle Auntie behauptete, sie hätte das Zweite Gesicht, bediente sich dieser Fähigkeit aber nur, um Bishop der Untreue zu bezichtigen. Sie glaubte, sie könne erkennen, was die andere für eine Haarfarbe hatte. Da habe sie sich, sagte Bishop, stets getäuscht – aber wenn man ihm so zuhörte, wusste man nie, ob es keine andere gegeben hatte oder ob sich diese Auntie lediglich in der Haarfarbe der anderen getäuscht hatte.
    »Warum setzen Hellseher ihre Fähigkeiten nie bei der Lotterie ein?«, hatte Bishop sie gefragt. »Warum machen sie nie etwas Nützliches damit?«
    Er wollte auch wissen, warum sie ihm seine Geschichten nicht mehr glaubte, dafür aber, als Ex-Nonne, das »haarsträubendste Lügenmärchen der ganzen Menschheitsgeschichte«, wie es eine junge Frau geschafft hatte, sich schwängern zu lassen. Das war laut Bishop der Moment, als sie den Topf warf, und mein Vater konnte sich den Hinweis nicht verkneifen, dass Bishop nur bekam, was er verdiente. Bishop putzt nie, deshalb war sie immer noch an der Wand: die Silhouette eines Mannes in Tomatensauce.
    »Jetzt bin ich allein«, sagte Bishop. »Ohne Frau.« Und er kratzte sich an seiner dreckstarrenden Wange.
    Während ich in meinem Zimmer im Bett liege, webt meine Fantasie an einer merkwürdigen, stillen Szenerie: mein Vater und mein Onkel im Halbdunkel, Stunden sind verstrichen, stelle ich mir vor, und der nächste Tag steigt lautlos hoch wie eine Luftblase im Wasser. Morgenvögel kommen hervor und stieben in den Büschen herum, dass sich die Zweige schütteln wie von Geistern besessen. Ein Lichtfinger nähert sich auf dem Fluss, rührt hier herum, rührt dort herum, gräbt das Lehmufer um.
    »Die Vögel da machen vielleicht einen Radau«, sagt mein Vater; sein Kopf sinkt nach unten. Bishops Stimme raspelt rau, als hätte er nonstop geredet; er fragt nach meiner Mutter: Singt sie Lieder? Wirft sie auch Sachen durch die Gegend? Er will wissen, wie früh Kinder morgens aufstehen – und was gibt man ihnen zu essen? Er wartet die Antworten gar nicht ab, sondern macht sich unablässig Gedanken über ein Leben, das er verpasst hat.
    Als die Sonne durch die Haustür dringt und ihnen auf die Beine scheint, setzen sich die beiden Brüder auf und heben die Köpfe. Bishop wankt ins Bad und schläft in der kühlen, dämmrigen Wanne weiter. Mein Vater blickt auf und bemerkt, dass ihn zwei Jungs anstarren, die aussehen wie Zwillinge, dreckige Jungs mit grünlichen Schmutzrändern um den Hals. Sein Kopf fühlt sich an wie eine nasse Pappschachtel.
    »Verpisst euch!«, blafft er, und die Jungs springen von der Veranda und bleiben auf der Straße stehen. Einer von ihnen fängt an zu heulen, dann gehen sie nach Hause. Mein Vater stellt sich vor, wie Bishop mit heraushängenden Armen und Beinen in der

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