Hilfe, ich habe Urlaub
hast du heute gemacht?«, sondern: »Was hast du heute zu essen gefunden?«
Mit Entschlossenheit und Ausdauer entdeckten wir ein Eiscafé und einen Bäckerladen. Die größte Sensation aber war der Truthahn, den wir zum Neujahrsessen auftrieben. Wir schrieben alle Karten, um unsere Lieben daheim daran teilhaben zu lassen.
In der zweiten Woche erschien eines Morgens eine fremde Frau in der Ferienvilla und
begann, im Speisezimmer Staub zu wischen. Es handelte sich um die schwer faßbare Carla, eine Spezies von Montserrat, die wir für ausgestorben gehalten hatten. Sie erklärte, sie sei vor zwei Tagen nicht gekommen, weil Neujahr war. Wir hatten Verständnis dafür. Wir fragten sie, ob es vielleicht einen Lebensmittelladen gebe, den wir noch nicht entdeckt hatten, und sie sagte:
»Nein.« Dann sagte sie noch: »Freitag werde ich nicht kommen. Da habe ich Geburtstag.«
Wir versuchten, uns einen Reim darauf zu machen, warum es auf Montserrat so wenig zu essen gab. Auf anderen Inseln um uns herum wie Antigua und Guadeloupe gab es doch auch Lebensmittel. Vielleicht war den Leuten hier das Essen nicht so wichtig.
Es ist interessant, woran man denkt, wenn man den Namen eines Ortes erwähnt, den man besucht hat. Ich erinnere mich kaum an die Strände, das Wetter oder die Geschichte von Montserrat. Ich muß an zehn Menschen denken, die für einen Augenblick des Glücks dachten, sie wären in ein Märchenland gekommen, und dann bei Rindswürstchen und Haferflockenkeksen endeten.
An dem Abend, bevor wir unsere Ferienvilla und die Insel verließen, sagte mein Mann:
»Denk dran, den Kühlschrank auszuräumen.«
So ein Scherzbold. Der Kühlschrank war seit dem Tag unserer Ankunft ausgeräumt.
»Wie früh müssen wir denn morgen weg?« wollte ich wissen.
»Die Maschine geht um 7 Uhr 30«, antwortete er.
Ich sprang auf. »Warum hast du mir das nicht eher gesagt? Da wird der Kaffee doch nie fertig.«
Das Great-Barrier-Riff
Wir waren noch nie die richtige Familie für einen Strandurlaub. Wir wissen nichts mit uns anzufangen.
Es gibt ein Foto von uns auf Hawaii, wo wir vor ein paar Jahren auf der Insel Kauai Ferien machen. Während andere Urlauber wie gelähmt auf ihren Handtüchern lagen und die Sonne ihre ölglänzenden Körper briet, bot unsere Familie ein Bild der Bewegung. Der Hund rannte kläffend einem Frisbee hinterher. Unsere Söhne spielten Volleyball. Unsere Tochter baute das Empire State Building aus Sand nach. In Handtücher gewickelt, ging mein Mann unsere Ausgaben durch. Ich knüpfte einen Teppich.
Wir haben Dias, wie wir am Strand von Tahiti Kreuzworträtsel lösen, Straßenhändlern in Cabo San Lucas Kleider abkaufen und mit Metalldetektoren auf den Fidschi nach Kleingeld suchen. Abgesehen davon, daß wir alle sehr beschäftigt sind, gibt es noch einen roten Faden, der durch alle Bilder läuft. Ich habe immer denselben Badeanzug an.
Es ist ein konservativer Einteiler, blau mit weißen Punkten, extrem belastbar und über dem Bauch sehr großzügig geschnitten.
Wenn ich nicht so eine Schwindlerin wäre, könnte ich ja zugeben, daß das der wirkliche Grund ist, warum ich »nicht gern am Strand bin«. Es wimmelt dort von Frauen, die aus dem Bademodesonderheft von »Elle« stammen könnten. Ich habe schon Truthähne in den Ofen
geschoben, die größer waren als diese Frauen.
Die Idee, auch mal ins Wasser zu gehen, kam mir, als wir auf einer Karibikkreuzfahrt in St.
Thomas anlegten. Mein Mann wollte, daß ich einen Schnellkurs im Tauchen mit Sauerstoffgerät belege, aber als ich hörte, daß dafür ein bißchen Kopfrechnen notwendig war, sagte ich ihm, wenn ich im Urlaub mein Gehirn benutzen wollte, hätte ich auch weiter in meiner Kabine das Quiz »Der Preis ist heiß« sehen können.
Statt dessen nahm ich einen Bus zum Strand, wo ein junger Mann in eine Taucherbrille spuckte, sie mir aufs Gesicht drückte und sagte, ich solle einfach losschwimmen, dann würde ich eventuell Kapitän Nemo sehen.
Ich war sofort ins Schnorcheln verliebt. Ich war darin nicht gerade Spitze, aber es gefiel mir unwahrscheinlich gut. Das war eine Welt, die ich nie zuvor gesehen hatte.
Als wir vorhatten, mit der Familie ans Great-Barrier-Riff vor der Küste Australiens zu fahren, ging ich sogar soweit, meinen fünfzehn Jahre alten Badeanzug zu ersetzen.
Ich sah die Ständer mit Bikinis durch, die aussahen wie Knallbonbons, und fragte mich, wer so was entwirft. Die Hersteller von Bademode hatten den Verstand
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