Himmel, hilf!
hatte sich um die Akte versammelt, in der das Leben von Greg Bennett verzeichnet war. Als sie anfingen zu lesen, verstummte ihr aufgeregtes Geplapper auffallend schnell. Es dauerte nicht lange, bis Shirley, die älteste und reifste unter ihnen, Gabriels Gedankengang durchschaute. Der Erzengel erwartete, dass sie aufgaben, bevor sie überhaupt begonnen hatten! Sie sollten zugeben, wie recht er doch hatte, und kleinlaut wieder zur Chorprobe zurückflattern. Angesichts dessen, was sie gerade über Greg Bennett erfahren hatten, wäre das vielleicht sogar die beste Lösung.
“Du liebe Zeit”, flüsterte Goodness. “Er hat seine Freundin sitzen lassen, als sie schwanger war.”
“Und seinem besten Freund die Hilfe versagt, die er dringend brauchte.”
“Seht nur, was er seiner eigenen Mutter angetan hat!”
“Seiner Mutter?”
Shirley nickte. “Greg Bennett ist ein …”
“Mistkerl”, ergänzte Mercy.
“Er ist arrogant.”
“Selbstsüchtig.”
“Und eingebildet.”
“Ich glaube, um diesen erbärmlichen Kerl wachzurütteln, brauchen wir mehr als ein Wunder.”
Dem ließ sich nichts hinzufügen. Bedauernd stellte Shirley fest: “Greg Bennett ist für uns vermutlich eine Nummer zu groß.”
Goodness und Mercy sahen sich an. “Sie macht Witze, oder?”
“Nein”, verteidigte sich Shirley. “Lest doch selbst, was für ein Mann er ist! Ehrlich gesagt, ich glaube, dass jemand mit mehr Erfahrung in Sachen menschlicher Schwäche besser für diesen Fall geeignet wäre.”
“Ach was!”, rief Goodness empört aus.
“Wir schaffen das”, erklärte Mercy unter schöner Missachtung der Tatsache, dass ihre bisherigen Fehlschläge keinerlei Anlass zu Optimismus gaben.
“Wir wissen doch alle, dass Gabriel uns diesen Fall mit Absicht übertragen hat”, sagte Goodness. Sie hatte sich also auch nicht hinters Licht führen lassen. “Er dachte wohl, dass wir nur sehen müssen, was für ein Schlamassel Greg Bennett mit seinem Leben veranstaltet hat, damit wir aufgeben und brav in den Chor zurückkehren. Ha! Ich jedenfalls habe keineswegs die Absicht, mir schon wieder Weihnachten über den Feldern von Bethlehem die Lunge aus dem Leib zu singen. Der Erde so nah zu sein und doch so fern …”
Mercy kicherte ein wenig, aber sie schien vollkommen mit Goodness übereinzustimmen. “Komm schon, Shirley, das hier ist unsere einzige Chance, zur Erde zurückzukehren. Na gut, du hast schon recht: Greg Bennett gehört nicht zu den überzeugtesten Gläubigen, aber Gott liebt ihn. Und weiß der Himmel, der Mann braucht Hilfe.”
Doch so leicht ließ Shirley sich nicht überreden. “Ja, er braucht Hilfe. Und zwar mehr, als wir ihm gewähren können.”
“Jetzt sei doch nicht so pessimistisch”, schalt Goodness. “Wir können ihm immerhin einen kleinen Schubs in die richtige Richtung geben.”
“San Francisco”, bemerkte Mercy nachdenklich und klopfte sich mit dem Finger gegen die Wange. “In San Francisco gibt es Schiffe, oder?”
Shirley sah bereits, wie sich Unheil zusammenbraute. Hitzig sagte sie: “Du musst versprechen, dass du dich von allen Werften und Häfen fernhältst, hörst du?” Es hatte Jahre gedauert, bis Gras über diese Angelegenheit mit der Marinewerft gewachsen ist. Noch schlimmer: Die Journalisten, die damals über den Zwischenfall mit den verschwundenen Flugzeugträgern berichteten, schienen eine direkte Verbindung zum Himmel zu haben. Jedenfalls war die Sache hier oben in aller Munde.
“Na gut, ich verspreche es. Keine Werften”, lenkte Mercy ein. Shirley fühlte sich so lange beruhigt, bis sie sah, dass Mercy Goodness zuzwinkerte.
Du liebe Zeit, wenn wir den Fall Bennett übernehmen, dann werden das heiße Weihnachten! Andererseits …
“Wo willst du hin?”, rief Goodness ihr hinterher, als Shirley sich umdrehte und forteilte.
“Ich gehe zu Gabriel und sage ihm, dass wir den Job übernehmen. Aber bitte, tut mir den Gefallen, dafür zu sorgen, dass ich diesen Schritt nicht schon bald bereue.”
“Würden wir dir denn jemals Schande machen?” Der Gesichtsausdruck eines wahren Unschuldsengels begleitete Mercys Worte.
Natürlich hatte Shirley allen Grund, dieser Beteuerung Skepsis entgegenzubringen. Aber noch mehr Grund hatte sie, diesen Auftrag anzunehmen, der sie alle drei zur Erde bringen würde. Sie sehnte sich ebenso sehr wie ihre Freundinnen danach, dem himmlischen Chor zu entkommen. Und ein bloßer Mensch würde sie daran nicht hindern – noch nicht einmal einer mit so
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